Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anhörungsrüge bei PKH-Entscheidungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Entscheidung über einen PKH-Antrag ist jedenfalls in sozialgerichtlichen Verfahren "eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung"; eine Anhörungsrüge nach § 178a SGG findet deshalb insoweit nicht statt (entgegen LSG Celle-Bremen vom 19.5.2006 - L 5 B 1/06 V RG).

2. In der Begründung einer Anhörungsrüge ist schlüssig auszuführen, inwiefern der behauptete Verstoß des Gerichts sich auf dessen Entscheidung ausgewirkt haben kann, der Anhörungsfehler für die Entscheidung also rechtlich kausal gewesen sein soll.

 

Tenor

Die Anhörungsrüge der Antragsteller im Hinblick auf den Senatsbeschluss vom 6.Juni 2006 -L 8 B 103/06 AS - wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Senat hat mit unanfechtbarem Beschluss vom 6.Juni 2006 - L 8 B 103/06 AS - die Beschwerde der Antragsteller gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (PKH) durch das Sozialgericht (SG) Oldenburg zurückgewiesen. PKH wurde beantragt zur Durchführung des Verfahrens S 48 AS 307/06ER, mit dem die Antragsteller im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes begehren, ihnen “Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von angemessenen Unterkunftskosten nach Maßgabe der aktuellen Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen zu gewähren„.

Nach Zustellung des Beschlusses vom 6. Juni 2006 hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 20.Juni 2006 eine Anhörungsrüge gegen diesen Beschluss angebracht. Zur Begründung trägt er vor, das Landessozialgericht sei seiner Pflicht zu einer Aufklärung und abschließenden Sachverhaltsermittlung nicht nachgekommen.

II.

Die Anhörungsrüge ist unzulässig.

Gemäß § 178a Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG ist auf die Rüge das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die mit der Rüge angegriffene Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

Eine Entscheidung über einen PKH-Antrag ist jedenfalls in sozialgerichtlichen Verfahren eine solche der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung.

Sinn und Zweck der Anhörungsrüge ist es, dem Betroffenen die Fortführung eines rechtskräftig abgeschlossenen Rechtsstreits zu bieten, damit bei einer festgestellten Beschneidung des rechtlichen Gehörs der Betroffene das nicht zur Kenntnis genommene Anliegen dem Gericht unterbreiten kann, um dieses womöglich doch noch zu einer positiven Entscheidung zu veranlassen. Die Sicherstellung umfassenden Rechtsschutzes durch Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen (s. hierzu auch Beschluss des BVerfG vom 30.April 2003 - 1PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395) bedeutet jedoch nicht, dass jeder nicht - mehr - anfechtbare Beschluss auf Anhörungsrüge zu überprüfen ist, sondern nur diejenigen Entscheidungen, die ein Ersuchen um gerichtliche Entscheidung rechtskräftig beendet haben. Deshalb wird in Literatur und Rechtsprechung auch nicht in Frage gestellt, dass rechtskräftig beendete Verfahren im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes ebenso einer Überprüfung durch Anhörungsrüge zugänglich sind wie Urteile und Beschlüsse in Hauptsacheverfahren.

Ein Antrag auf Bewilligung von PKH ist kein Selbstzweck. Bei der PKH handelt es sich vielmehr um eine Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge. Sie stellt als Bestandteil der Rechtschutzgewährung eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege für die rechtsuchenden Bürger dar, die ihre verfassungsrechtliche Legitimation im Gebot des sozialen Rechtsstaates und im allgemeinen Gleichheitssatz findet (BGH vom 26. Oktober 1989,BGHZ 109, 163, 168; siehe auch BVerfGE 9, 256). Eine nicht mehr mit Rechtsmitteln angreifbare Ablehnung eines PKH-Antrags hindert im sozialgerichtlichen Verfahren den Rechtssuchenden nicht an der Weiterführung des eigentlichen Rechtsstreits. Jedenfalls gilt dies bei Verfahren vor den Instanzgerichten, für die kein Anwaltszwang besteht. Hinzu kommt, dass auch nach Ablehnung eines PKH-Antrags grundsätzlich ein neuer Antrag gestellt werden kann, ohne dass ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör gerügt werden muss (so auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 24 U 204/05 - OLGR Frankfurt 2006, 310; vgl auch BFH Beschluss vom 16. Februar 2006 - VII S 2/06 -).

Die entgegenstehende Rechtsauffassung des 5.Senats des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 19.Mai 2006 - L5B 1/06VRG -) wird vom erkennenden Senat nicht geteilt. Danach soll es sich bei einer nicht mehr anfechtbaren PKH-Entscheidung um eine Endentscheidung im Sinne von § 178a Abs. 1 SGG handeln, die einer Anhörungsrüge zugänglich sei. Auch Zöller (ZPO-Kommentar 25.Auflage §321a Rdnr. 3) und Berchtold (in Hennig SGG Loseblattkommentar § 178a RdNr 55 ff) scheinen dies ohne weitere Begründung anzunehmen. Aus dem Wortlaut der durch das Anhörungsrügengesetz vom 9.Dezember...

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