Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. vom Dritten gewährtes Darlehen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein von einem Dritten dem Hilfesuchenden gewährtes Darlehen ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, wenn er es zur Steuerung seiner Notlage einsetzen kann.
2. Ein Hilfesuchender ist in der Regel nicht verpflichtet, zur Beseitigung seiner Notlage ein Darlehen aufzunehmen, wenn er ansonsten Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 hat.
3. Im SGB 2 ist die Konfliktlage des Hilfesuchenden zwischen dem Verbrauch eines Darlehens zur Beseitigung seiner Bedürftigkeit und der zu erwartenden Verletzung der zivilrechtlichen Rückzahlungspflicht wegen seines wirtschaftlichen Unvermögens nicht zu Lasten der Öffentlichen Hand zu regeln (Abweichung, BSG vom 13.6.1985 - 7 RAr 27/84 = BSGE 58, 160 = SozR 4100 § 138 Nr 11).
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 31. März 2008 aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten der Antragstellerin sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob eine von den Eltern der Antragstellerin ihr gewährte monatliche Unterstützungsleistungen vorliegen und ob diese Leistungen als laufendes Einkommen anzusehen sind, das den Bedarf an Hilfeleistung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) mindert.
Die im März 1965 geborene, ledige Antragstellerin hat zunächst in der Zeit von Oktober 1984 bis September 1989 ein Studium in Fach Medizin ohne Abschluss absolviert und anschließend ein Studium im Fach Psychologie absolviert, welches sie mit dem Diplom abschloss. Nach ihren Angaben ist sie seit einigen Jahren als Diplom-Psychologin berufstätig, wobei sie überwiegend psychotherapeutische Behandlungen an Kindern vornimmt, für deren Kosten Jugendämter in der Vergangenheit aufkamen. Durch eine Änderung in der Bewilligungspraxis der Jugendämter gingen nach den Angaben der Antragstellerin ihre Einnahmen erheblich zurück. Im Bescheid des Finanzamtes F. vom 31. Januar 2008 bezüglich der Einkünfte der Antragstellerin im Jahr 2006 wurde festgestellt, dass sie keinerlei positiven Einkünfte erwirtschaftete.
Ebenso bescheinigte der Steuerberater der Antragstellerin ihr im Hinblick auf das Jahr 2007, dass keinerlei positiven Einkünfte, sondern nur Betriebsverluste zu erwarten seien. Auch in einer Selbsteinschätzung der Antragstellerin vom 21. Februar 2008 gab sie an, dass sie voraussichtlich im Jahr 2008 keinerlei positiven Einkünfte erwirtschaften werde.
Vor diesem Hintergrund gewährte die Antragsgegnerin der Antragstellerin auf ihren Antrag mit Bescheid vom 10. September 2007 für den Bewilligungszeitraum vom 1. September 2007 bis zum 29. Februar 2008 laufende Leistungen i. H. v. monatlich 145,23€ (ohne Krankenversicherung und Pflegeversicherung, die extra berechnet und überwiesen wurden). Dabei berücksichtigte die Antragsgegnerin für jeden Monat als Bewilligungszeitraum bedarfsmindernd Zuwendungen der Eltern der Antragstellerin, die auf der Grundlage eines Schreibens der Eltern vom 31. Dezember 2006 (Bl. 115 der Verwaltungsvorgänge) monatlich i. H. v. 700,00 € gewährt wurden. Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - noch nicht abschließend entschieden worden ist, und wandte sich zugleich an das Sozialgericht (SG) Oldenburg mit der Bitte um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Dieses verpflichtete die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 30. Oktober 2007 zur Bewilligung von laufenden Leistungen im Bewilligungszeitraum ohne Berücksichtigung der von den Eltern der Antragstellerin gewährten Zuwendungen (Aktenzeichen: S 48 AS 1848/07 ER). In Ausführung dieses Beschlusses gewährte daraufhin die Antragsgegnerin für den Bewilligungszeitraum September 2007 bis Februar 2008 der Antragstellerin monatliche Leistungen i. H. v. 815,23 € (ohne Einrechnung der gleichzeitig gewährten Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung).
Am 28. Januar 2008 beantragte die Antragstellerin die Fortzahlung der ihr in der Vergangenheit bewilligten Leistungen. Sie legte dabei den Steuerbescheid des Finanzamtes Oldenburg vom 31. Januar 2008 hinsichtlich ihrer Einkünfte im Jahre 2006 vor und gab in einer Selbsteinschätzung unter dem 19. Februar 2008 an, dass sie für den Zeitraum März bis August 2008 keinerlei positiven Einkünfte aus ihrer selbstständigen Tätigkeit als Diplom-Psychologin erwarte. Nachdem zunächst zwischen den Beteiligten Uneinigkeit über gebotene Mitwirkungshandlungen durch die Antragstellerin bestanden hatte (Vorlage von Kontoauszügen, Vorlage des Darlehensvertrages zwischen der Antragstellerin und ihren Eltern, etc.), bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 10. März 2008 vorläufig für den Bewilligungszeitraum März bis August 2008 monatlich an die Antragstellerin auszukehrende Leistungen i. H. v. 662,78 €. Dabei wurde ein Teilbetrag i.H. v. monatlich 309,95 € aus den Zuwendungen der Eltern bedarfsmi...