Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Unterhaltsverpflichtung gegenüber Kindern des Partners in einer Bedarfsgemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es entspricht dem unterhaltsrechtlichen Grundsatz in § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), dass nur Verwandte in gerader Linie einander zu Unterhalt verpflichtet sind. Eine erweiternde Auslegung dahingehend, dass bei der Ermittlung des nach § 9 Abs 2 SGB II zu berücksichtigenden Einkommens ein vollständiger Einsatz von Einkommen des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft für fremde Kinder in der Bedarfsgemeinschaft gewollt war, ist mangels eines in diesem Sinne objektivierbaren gesetzgeberischen Willens nicht möglich.

2. Es bleibt offen, ob bei Zusammenleben von Partnern in einer Bedarfsgemeinschaft mit Kindern nur des einen Partners eine gegenseitige Unterstützung vermutet werden kann, die sich einkommensmindernd auswirken würde. Eine Einstandspflicht nach § 9 Abs 5 SGB II kommt insoweit nicht in Betracht, da sie nur Verwandte oder Verschwägerte trifft, die nicht zu der Bedarfsgemeinschaft der Hilfebedürftigen gehören. Ob hier eine Gesetzeslücke besteht, die durch entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens des § 9 Abs 5 SGB II bzw des § 36 SGB XII geschlossen werden könnte, ist einer Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 4. März 2005 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, den Antragstellern vom 1. Februar 2005 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 187,00 € monatlich zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten.

 

Gründe

I. Die 1968 geborene Antragstellerin zu 1. ist Mutter der minderjährigen Antragsteller zu 3. bis 6. (alle unter 14 Jahren) und lebt mit dem im Jahre 1961 geborenen Antragsteller zu 2. in eheähnlicher Gemeinschaft. Sie bewohnen zusammen eine 6-Zimmer-Wohnung mit einer monatlichen Miete von 550,00 € zuzüglich 90,00 € Heizkosten und 60,00 € Abschlag auf Nebenkosten. Die Antragstellerin zu 1. erhält für die Antragsteller zu 3. bis 6. Kindergeld in Höhe von 641,00 €. Der Antragsteller zu 2. ist berufstätig und erzielt ein Nettoeinkommen von zirka 1.450,00 € monatlich. Er erbringt Unterhaltsleistungen an seine außerhalb der Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder in Höhe von 113,00 € und tilgt außerdem ehebedingte Schulden.

Mit Bescheid vom 10. Januar 2005 gewährte die Antragsgegnerin für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 444,38 € monatlich, bestehend aus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Antragsteller zu 1. und zu 2. von 18,55 € und aus Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 425,83 €. Weitere Leistungen für die Antragsteller zu 3. bis 6. lehnte die Antragsgegnerin ab, weil sie neben dem jeweiligen Kindergeld auch das überschießende Einkommen des Antragstellers zu 2. berücksichtigte. Gegen den abschlägigen Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2005 ist beim Sozialgericht (SG) Oldenburg ein Klageverfahren anhängig (Aktenzeichen: S 47 AS 79/05).

Am 1. Februar 2005 haben die Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt, ihnen höhere Leistungen zu gewähren. Sie haben geltend gemacht, dass der Antragsteller zu 2. höhere Unterhaltsleistungen an seine Kinder zahle und ferner, dass das Kindergeld für die Antragsteller zu 3. bis 6. nur als Einkommen der Antragstellerin zu 1. anzusehen sei.

Das SG hat durch Beschluss vom 4. März 2005 die Antragsgegnerin verpflichtet, zu Händen der Antragstellerin zu 1. für die Antragsteller zu 3. bis 6. laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Mai 2005 in Höhe von monatlich 678,60 € zu zahlen und im Übrigen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zwar habe die Antragsgegnerin zutreffend gemäß § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II das an die Antragstellerin zu 1. gewährte Kindergeld als Einkommen der Antragsteller zu 3. bis 6. berücksichtigt. Rechtswidrig sei der Bewilligungsbescheid aber, wenn die Antragsgegnerin von dem Antragsteller zu 2. verlange, dass er sein gesamtes Einkommen, soweit dieses den eigenen Bedarf und den der Antragstellerin zu 1. übersteige, zugunsten der Antragsteller zu 3. bis 6. einsetzen müsse. Denn der Antragsteller zu 2. sei nicht der leibliche Vater der Antragsteller zu 3. bis 6. und somit auch nicht Eltern oder Elternteil iS von § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II. Daraus ergebe sich ein Gesamtanspruch für die Antragsteller zu 3. bis 6. in Höhe von 678,60 €, die die Antragsgegnerin abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen in Höhe von 444,38 € zu Händen der Antragstellerin zu 1. ab 1. Februar 2005 nachzahlen müsse.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin am 21. März 2005 Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, ...

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