Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Coronatest-Vergütung durch Kassenärztliche Vereinigung. laufende Abrechnungsprüfung wegen Verdachts auf Abrechnungsbetrug. vorläufige vollständige Einstellung der Vergütung
Orientierungssatz
Eine Kassenärztliche Vereinigung hat zumindest im vorliegenden Fall das Recht, im Wege einer Ermessensentscheidung gem § 7a Abs 5 S 1 der Coronatest-Verordnung (juris: CoronaTestV 2021-10) die Vergütung von Coronatests an ein Testzentrum während einer laufenden Abrechnungsprüfung wegen eines Verdachts auf Abrechnungsbetrug vorläufig vollständig einstellen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 6. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 229.687,41 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Zahlung nach der Coronavirustestverordnung von Forderungen in Höhe von ca. 380.000 Euro, vorliegend im Wege Einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Antragstellerin ist Betreiberin des Testzentrums „G.“ in H. und führt dort auf einem gemieteten Stellplatz in einem Bürocontainer Testungen nach der Coronavirustestverordnung (TestV) durch. Für die Monate Dezember 2021 bis März 2022 erstattete die Antragsgegnerin an die Antragstellerin eine Gesamt-Summe von ca. 220.000 Euro für durchgeführte Testungen.
Im Frühjahr 2022 wurde durch die Antragsgegnerin ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin wegen Abrechnungsbetruges eingeleitet. Das Verfahren wurde am 27.9.2022 eingestellt.
Für den Monat April erstellte die Antragsgegnerin am 31.5.2022 einen Bescheid, wonach ein Betrag in Höhe von 97.479,36 Euro zur Auszahlung gebracht werden sollte. Dieser Betrag wurde bisher nicht ausgezahlt.
Für die Folgemonate machte die Antragstellerin weitere Beträge geltend, die ebenfalls bisher nicht von der Antragsgegnerin ausgezahlt wurden, auch keine Abschläge hierauf:
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Mai 2022: |
71.840,50 Euro, |
Juni 2022: |
99.923,50 Euro, |
Juli 2022: |
55.164,00 Euro |
August 2022: |
28.040,50 Euro |
September 2022: |
30.364,50 Euro |
Gesamtsumme April - September 2022: |
382.812,36 Euro. |
Am 4.11.2022 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Hannover Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Das SG Hannover hat das Verfahren durch Beschluss vom 9.11.2022 an das örtlich zuständige SG Lüneburg verwiesen.
Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt:
Der Zahlungsanspruch ergebe sich aus § 7 TestV. Die Antragstellerin habe als Leistungserbringer die geltend gemachten Leistungen vollständig erbracht. Dies ergebe sich aus den der Antragsgegnerin übersandten Unterlagen und zusätzlich aus den im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nachgereichten Belegen. Dass aufgrund der Plausibilitätsprüfung erfolgte strafrechtliche Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden. Es seien der Antragstellerin auch keine weiteren Gründe mitgeteilt worden, die einen Zweifel an der Plausibilität derart vernünftig erscheinen ließen, als dass es angemessen wäre, die vollständige Zahlung zurückzuhalten. Das vollständige Zurückhalten der Zahlungen sei deshalb unverhältnismäßig und rechtswidrig. Auch ein Anordnungsgrund sei gegeben. Dem Geschäftsführer der Antragstellerin drohe Insolvenz (wird im Einzelnen ausgeführt). Daneben sei die Antragsgegnerin seit dem 1.9.2022 für Prüfungen der Langzeitleistungszeiträume ab Juli 2022 nicht mehr zuständig (§ 7a Absatz 1b TestV). - Die Antragstellerin weise darauf hin, dass die von der Antragsgegnerin angeforderten Unterlagen nicht über das Portal der Antragsgegnerin hätten übermittelt werden können. Eine von ihr angebotene cloud habe die Antragsgegnerin abgelehnt. Sie lege deshalb die entsprechenden Unterlagen im Gerichtsverfahren vor.
Die Antragsgegnerin führt aus, dass sie nach § 7a Abs. 5 TestV während einer Prüfung nach § 7 Abs. 1, 2 TestV die Auszahlung der Vergütung aussetzen könne. Nach § 7a Abs. 2 TestV habe die kassenärztliche Vereinigung zusätzlich zur Prüfung nach Abs. 1 unter anderem, sofern dazu Veranlassung bestehe, gezielte vertiefte Prüfungen der ordnungsgemäßen Durchführung und Abrechnung der Testungen unter Einbeziehung der lokalen Dokumentation durchzuführen. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin gelte dies auch für abgerechnete Leistungen nach dem 1.7.2022. Veranlassung zur Prüfung habe sich durch eine Mitteilung der StA Braunschweig aus Mai 2022 ergeben. Die Antragsgegnerin sei darauf hingewiesen worden, dass konkrete und deutliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass allenfalls ein geringer Teil der abgerechneten Tests tatsächlich durchgeführt worden sei. Eine solche Prüfung habe bzw. finde nach § 7a Abs. 2 TestV statt. Für die Monate Dezember 21 bis Mai 22 seien verbindlich vorgeschriebene Dokumentationen nachgefordert worden. Nach § 7a Abs. 5 TestV sei eine Vergütung zu Unrecht gewährt, wenn die abgerechneten Leistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß e...