Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Behinderungsausgleich. keine Kostenerstattung bzw Kostenübernahme für Ausbildung eines Hundes als Autismus-Assistenzhund
Leitsatz (amtlich)
Keine Kostenerstattung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung für die Ausbildung eines Hundes als Assistenzhund zum Behinderungsausgleich bei Autismus, wenn die Haltung des Hundes für die Versicherte lediglich sinnvoll und nützlich ist, ihr das Rausgehen aus dem Haus erleichtert und soziale Kontakte zB zu anderen Hundebesitzern vereinfacht.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 19. Januar 2023 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Kostenerstattung bzw Kostenübernahme für die Ausbildung ihres Hundes als Autismus-Assistenzhund.
Die 1975 geborene Klägerin ist langjährig bei der Beklagten krankenversichert. Sie ist in Teilzeit erwerbstätig als Angestellte bei der G. im Bereich der H. I.. Daneben bezieht sie eine Erwerbsminderungsrente. Bei ihr wurde unter anderem eine Autismusspektrumstörung, depressive Störung (F33.1) und eine Angststörung (F41.1) diagnostiziert. Es wurde eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 50 festgestellt.
Nach den Angaben der Klägerin entstand im März oder Anfang April 2018 bei ihr der Wunsch, ihren Hund als Autismus-Assistenzhund ausbilden zu lassen. Dazu fand am 14. April 2018 ein „Kennenlerntermin“ mit einer Hundetrainerin, Frau J., statt, die dafür 60 Euro in Rechnung stellte. An diesem Termin wollte die Klägerin sich nach ihren Angaben darüber informieren, inwieweit ihr Hund dazu geeignet sei, als Autismus-Assistenzhund ausgebildet zu werden. Das erste Einzeltraining fand am 24. Juni 2018 (Sonntag) statt.
Am 20. Juni 2018 stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag, dass die Kosten für die Ausbildung ihres Hundes zum Autismus-Assistenzhund übernommen werden sollten. Sie führte dazu aus, dass der Hund seit zwei Jahren (2016) bei ihr sei. Der Hund gebe ihr Sicherheit insbesondere in der Öffentlichkeit, er schaffe eine stressfreiere Atmosphäre und ermögliche ihr nunmehr den Austausch mit anderen Menschen. Sie gehe mindestens dreimal am Tag für Spaziergänge oder Hundetreffen raus, dass stelle per se schon eine gesundheitsfördernde Unterstützung dar.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Mit dem Assistenzhund könne kein Ausgleich der Einschränkung erreicht werden, da die Klägerin grundsätzlich alltägliche Geschäfte auch bereits jetzt ohne einen ausgebildeten Hund bewältigen könne.
Gegen die Ablehnung legte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Juli 2018 Widerspruch ein, den sie ausführlich begründete. Die Beklagte habe ihre Erkrankung und die Möglichkeit der Unterstützung durch den Hund nicht verstanden. Der Hund habe ihr geholfen, das Haus zu verlassen und mit anderen Menschen zu kommunizieren.
Sie legte eine Bescheinigung der Psychologischen Psychotherapeutin K. vom 30 Juni 2014 vor, wonach die Klägerin soziale Kontakte vermeide und dadurch unter einem erheblichen Stress und Leidensdruck stehe. Die Anschaffung eines Hundes wäre in diesem Fall therapeutisch ausgesprochen sinnvoll. Der Hund hätte für die Patientin die Funktion eines Gefährten und würde dazu führen, dass sie in der Sorge um den Hund das Haus verlassen müsste und soziale Kontakte vereinfacht möglich wären. Dadurch wäre sie ausreichend stark in der Pflicht, am sozialen Leben (Hundeschule, Kontakt mit anderen Hunden und Hundebesitzern) teilnehmen zu müssen und die Wohnung zu verlassen. Eine Alternative, welche der Patientin den nötigen emotionalen Rückhalt sowie ausreichend Schutz (Hund als Gefährte) bei sozialen Kontakten biete und als ausreichend starke Verpflichtung wahrgenommen werde, sich ihren Ängsten zu stellen, sei bisher nicht gefunden worden. Die Anschaffung eines Hundes sei in diesem Fall als ausgesprochen sinnvoll zu erachten und sollte der Versicherten ermöglicht werden. Auch der Facharzt L., M., hielt es in der Bescheinigung vom 18. Juli 2013 für ausgesprochen sinnvoll, sich einen Hund zuzulegen. Ferner legte die Klägerin das Gutachten des Diplom-Psychologen Dr N. vom 17. April 2015 in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Westerstede 28 C 593/14 vor. Dieser hat die Diagnosen Panikstörung, sozialphobische Symptome mit Rückzugs und Vermeidungsverhalten, Depression gestellt und ausgeführt, dass ergänzend zur Psychotherapie die Haltung eines Hundes zum einen der Stressreduzierung dienen würde und zum anderen würde der Klägerin durch einen Hund die Kontaktaufnahme zu anderen Menschen mit großer Wahrscheinlichkeit leichter fallen und sie würde weniger Vermeidungsverhalten zeigen.
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ein, der in der Stellungnahme vom 13. September 2018 die Diagnosen Asberger-Syndrom, rezidivierende depressive St...