Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungen für Bildung und Teilhabe. mehrtägige Klassenfahrt. schulrechtliche Bestimmungen des Landes Niedersachsen. Schulfahrt ins Ausland
Leitsatz (amtlich)
Bei den Kosten für eine Schulfahrt ins Ausland kann es sich um Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt iS des § 28 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB II handeln.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. Februar 2017 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. Februar 2017 ist nicht begründet.
Das SG hat den Antragsgegner zu Recht im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig eine einmalige Leistung in Höhe von 1.350 € nach § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zur Finanzierung einer Schulfahrt nach York/England zu gewähren. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass es sich bei der fraglichen Schulfahrt um eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen handelt und der Antragsgegner nach derzeitigem Sach- und Streitstand unter Berücksichtigung der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung verpflichtet ist, die Kosten zu übernehmen. Sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund sind danach glaubhaft gemacht worden, so dass der Senat die Beschwerde des Antragsgegners aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückweist und gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG von einer weiteren Begründung absieht.
Lediglich mit Blick auf das Beschwerdevorbringen ist darauf hinzuweisen, dass es für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der fraglichen Schulfahrt um eine Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen handelt, nicht darauf ankommen kann, wie diese im Internetauftritt der Schule beworben wird. Maßgeblich kann nur sein, ob die Bestimmungen des insoweit einschlägigen Runderlasses des Niedersächsischen Kultusministeriums zu Schulfahrten vom 1. November 2015 (26- 82 021 - VORIS 22410) bei der schulinternen Planung der Schulfahrt eingehalten worden sind. Insoweit lässt das Beschwerdevorbringen außer Acht, dass das SG diesbezüglich eine Auskunft der Leiterin der Fachgruppe Englisch der Berufsbildenden Schulen (BBS) Jever, Frau H., vom 17. Januar 2017 eingeholt hat. Soweit der Antragsgegner anzweifelt, dass mit der fraglichen Schulfahrt, die gemäß Ziffer 9 des Runderlasses vom Schulleiter genehmigt worden ist, überhaupt Bildungs- und Erziehungsziele verfolgt werden, wie dies nach Ziffer 1 Satz 1 des Runderlasses erforderlich ist, wird in der von der Leiterin der Fachgruppe Englisch übersandten “Kurzbeschreibung für die Schulfahrt/das Praktikum in York/England„ ausgeführt, dass Schülerinnen und Schüler im Zuge der Europäisierung und Globalisierung vor neue Herausforderungen gestellt würden und neben der Benutzung der englischen Sprache als Lingua Franca zunehmend Softskills - z. B. interkulturelle Kompetenzen - an Bedeutung gewönnen. Vor dem Hintergrund zusammenwachsender Märkte und der vier Freiheiten im europäischen Binnenmarkt solle im Rahmen des Praktikums den Schülerinnen und Schülern der 11. Klassen die Möglichkeit gegeben werden, erste Arbeitserfahrungen im englischsprachigen Ausland zu sammeln. Das danach - u. a. auch mit einer intensiven Vorbereitungszeit in Form einer verbindlichen zusätzlichen Unterrichtsstunde im Schuljahr 2016/2017 - verfolgte Bildungs- und Erziehungsziel des Erwerbs interkultureller Kompetenzen lässt sich mit den Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife gemäß Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18. Oktober 2012 (Anlage zu der Auskunft der Frau H.) ohne weiteres vereinbaren. Es liegen danach keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um ein über den eigentlichen Bildungsauftrag hinausgehendes “Zusatzangebot„ - etwa im Sinne einer Freizeit - handelt, wie der Antragsgegner meint. Eine weitergehende Prüfung dahingehend, ob die Fahrt sinnvoll und notwendig ist (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen auf S. 4 des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2016), ist dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie den Sozialgerichten verwehrt (vgl. O. Loose in: GK-SGB II § 28 Rn. 42 m. w. N.).
Der Klassifizierung der Reise nach York als Schulfahrt steht auch nicht entgegen, dass in diesem Jahr nur 17 von 120/130 grundsätzlich teilnahmeberechtigten Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 11 tatsächlich daran teilnehmen, da die Teilnahme an Schulfahrten mit Übernachtung gemäß Ziffer 6.2 des Runderlasses stets freiwillig ist. Die im Widerspruchsverfahren erteilte Ausku...