Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für ausländische Staatsangehörige. alleiniger Aufenthaltszweck der Arbeitsuche. Unionsbürger. Europarechtskonformität
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Ausschlusses von arbeitsuchenden Unionsbürgern von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2.
Orientierungssatz
Es spricht einiges dafür, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB 2 als Sozialhilfeleistungen iS des Art 24 Abs 2 EGRL 38/2004 anzusehen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 15.06.2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 15.06.2009, mit der sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet worden ist, der Antragstellerin vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2009 zu gewähren.
Die 1970 geborene Antragstellerin ist litauische Staatsangehörige. Sie ist im Jahr 2001 (Angabe in einem Lebenslauf vom 06.10.2008) oder im Jahr 2005 (Angabe u. a. im vorliegenden Eilantrag vom 13.05.2009) in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und verfügt über eine mit Datum vom 25.04.2005 ausgestellte Bescheinigung gemäß § 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU), die sie zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Ferner ist die Antragstellerin im Besitz einer unbefristeten "Arbeitsberechtigung-EU" vom 21.05.2008. Nach den vorliegenden Unterlagen (Gehaltsabrechnungen der Firma F. GmbH in G.) nahm die Antragstellerin in der Bundesrepublik erstmals am 01.11.2005 eine Erwerbstätigkeit auf. Diese geringfügige Beschäftigung übte sie bis zum 28.02.2006 aus. Nach ihren Angaben hat die Antragstellerin von August bis Oktober 2008 an einer Integrationsmaßnahme für Migrantinnen (EU-Projekt "Lernen, Integration und Arbeit für Frauen") teilgenommen und in der Zeit von Februar bis August 2009 einen Deutschkurs bei der Volkshochschule G. absolviert (vgl. auch vorgelegte Teilnahmebescheinigungen der VHS vom 13.03. und 27.04.2009). Seit dem 01.09.2009 nimmt die Antragstellerin an einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (Arbeit mit behinderten Menschen) teil.
Im Mai 2008 stellte die Antragstellerin erstmals einen Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde sie nach ihren Angaben (vgl. Eilantrag vom 13.05.2009) von ihrem früheren Lebensgefährten unterhalten. Nachdem die Antragsgegnerin den Leistungsantrag mit Bescheid vom 26.06.2008 im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt) abgelehnt hatte, wurde sie mit Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Bremen vom 02.07.2008 (Az. S2 V 1892/08) im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vom 20.06. bis 30.11.2008 unter dem Vorbehalt der Rückforderung Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 70 % der gesetzlichen Regelleistung einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren. Die hiergegen erhobene Beschwerde der Antragsgegnerin wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen mit Beschluss vom 29.07.2008 (Az. S2 B 327/08) zurück. Zur Begründung führte das OVG aus, im Hinblick auf Zweifel an einer Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sei anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, die zu Lasten der Antragsgegnerin ausfalle.
Den Weiterbewilligungsantrag der Antragstellerin für den Folgezeitraum ab dem 01.12.2008 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 20.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2009 ab. Hiergegen führt die Antragstellerin Klage vor dem SG Bremen (Az. H.). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wurde die Antragsgegnerin mit Beschluss des VG Bremen vom 15.12.2008 (Az. I.) verpflichtet, der Antragstellerin vom 01.12.2008 bis 31.05.2008 (gemeint wohl: 31.05.2009) unter dem Vorbehalt der Rückforderung Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 70 % der gesetzlichen Regelleistung einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Den Weitergewährungsantrag der Antragstellerin vom 30.04.2009 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 07.05.2009 wiederum im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab. Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 14.05.2009 Widerspruch erhoben, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden ist.
Auf Antrag der Antragstellerin vom 13.05.2009 hat das SG Bremen die Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Beschluss vom...