Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Leistungsausschluss für Leistungsberechtigte nach dem SGB 2 gem § 21 S 1 SGB 12. keine Leistungsberechtigung dem Grunde nach. Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2. gerichtliche Bestätigung. Beiladung des Grundsicherungsträgers nach § 75 Abs 2 SGG nicht erforderlich. kein Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 S 1 SGB 12. Nichtanwendbarkeit auf Staatsangehörige der Unterzeichnerstaaten des EuFürsAbk. Gleichbehandlungsgebot

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 21 S 1 SGB 12 stellt zur Abgrenzung der Hilfesysteme nach dem SGB 2 und dem SGB 12 ("dem Grunde nach leistungsberechtigt" nach dem SGB 2) nicht allein auf das Kriterium der Erwerbsfähigkeit (§ 8 SGB 2) ab, sondern auf die Einbeziehung des Hilfesuchenden in den persönlichen Anwendungsbereich des SGB 2. Dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB 2 iS des § 21 S 1 SGB 12 ist ein Hilfesuchender, wenn die Leistungsvoraussetzungen nach §§ 7 ff SGB 2 erfüllt sind und auch sonst kein Leistungsausschluss nach dem SGB 2 vorliegt.

2. Die Leistungsausschlüsse nach § 23 Abs 3 S 1 SGB 12 ("Einreise zum Zweck des Sozialhilfebezugs", "Aufenthalt zum Zwecke der Arbeitsuche") sind auf Ausländer, die sich auf den Gleichbehandlungsanspruch aus Art 1 EFA (juris: EuFürsAbk) berufen können, nicht anwendbar. Maßgeblich ist allein die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Ausländers in Deutschland.

3. Zur Beiladung und Verpflichtung von Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB 2 in sozialhilferechtlichen Gerichtsverfahren, die die Frage von Leistungsausschlüssen nach dem SGB 2 und dem SGB 12, insbesondere den Ausschluss Unionsangehöriger vom Arbeitslosengeld II gem § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 und 2 SGB 2, betreffen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 2. April 2014 aufgehoben, soweit er die Ablehnung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und die Kostenentscheidung betrifft.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ab 1. März 2014 bis zum rechtskräftigen Abschluss eines der beim Sozialgericht Bremen anhängigen Klageverfahren - S 15 SO 131/14 - oder - S 18 AS 329/14 -, längstens jedoch bis zum 31. Oktober 2014 vorläufig Leistungen in Höhe von 2.227,60 € für den Monat März 2014 sowie ab 1. April 2014 in monatlicher Höhe von 1.455,60 € zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen des gerichtlichen Eilrechtschutzes um die Gewährung lebensunterhaltssichernder Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab Ende Februar 2014.

Die 1974 geborene Antragstellerin zu 1 ist italienische Staatsangehörige und alleinerziehende Mutter der 2000 bis 2005 geborenen Antragsteller zu 2 bis 4 und der am 17. Januar 2014 in Deutschland geborenen Antragstellerin zu 5, für deren Entbindung noch nicht beglichene Kosten von 2.676,22 € zzgl. 6,00 € Mahngebühren entstanden sind. Sie hält sich seit dem Tag ihrer Einreise nach Deutschland am 12. November 2013 in Bremen auf und lebt dort mit ihren Kindern in einer etwa 40 qm großen Dreizimmerwohnung, für die sie eine Grundmiete von 460,00 € sowie Heiz- und Nebenkosten von insgesamt 130,00 € zu entrichten hat. Sie bezieht seit April 2014 für die Antragsteller zu 2 bis 5 Kindergeldleistungen i.H.v. insgesamt 772,00 €. Nach ihren Angaben ging sie in Italien einer mehrjährigen Erwerbstätigkeit in einer Plastikfabrik nach, bis sie arbeitslos wurde. Die Einreise nach Deutschland, bei der sie “über begrenzte eigene finanzielle Mittel„ verfügt habe, sei zur Aufnahme einer Beschäftigung erfolgt.

Nach der Bestreitung des Lebensunterhalts durch Verbrauch der eigenen Mittel und gelegentliche Hilfen verschiedener Freunde beantragten die Antragsteller zu 1. bis 4. am 16. Dezember 2013 beim Jobcenter Bremen Leistungen nach dem SGB II. Das Jobcenter lehnte den Antrag durch Bescheid vom 17. Dezember 2013 mit der Begründung ab, die Antragstellerin zu 1 halte sich allein zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland auf und sei damit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Der hiergegen gerichtete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2014 zurückgewiesen. Die Ablehnungsentscheidung des Jobcenters ist Gegenstand einer beim Sozialgericht (SG) Bremen anhängigen Klage (- S 18 AS 329/14 -).

Nachdem - den Angaben der Antragstellerin zu 1 zufolge - ein bereits im Dezember 2013 bei der Antragsgegnerin gestellter Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII mündlich abgelehnt worden war, begehrte sie am 8. Januar 2014 erneut Sozialhilfeleistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts und den ihrer Kinder, der Antragsteller zu 2 bis 4. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 4. Februar 2014 mit der Begründung ab, die Antragstellerin ...

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