Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Steuererstattung. Verteilung auf angemessenen Zeitraum. Beginn. Abtretung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Auszahlung einer Steuererstattung durch das Finanzamt handelt es sich um Einkommen im Sinne des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2.
2. Die monatliche Anrechnung mit jeweils 1/12 des Erstattungsbetrags ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Orientierungssatz
1. Bei einer Steuererstattung handelt es sich um eine einmalige Einnahme die nach § 2 Abs 3 S 2 AlgIIV ab dem Folgemonat anzurechnen ist, auch wenn der Zufluss dem Grundsicherungsträger erst später bekannt wurde.
2. Die Abtretung von Ansprüchen zur Schuldentilgung ist eine freiwillige Disposition über die eigenen Mittel und damit bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit nicht zu berücksichtigen (vgl LSG Chemnitz vom 14.4.2005 - L 3 B 30/05 AS ER = Breith 2005, 794).
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aurich vom 17.Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Hierbei wendet er sich insbesondere gegen die Berücksichtigung zweier Steuerrückerstattungen als Einkommen.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts (SG) Aurich vom 17. Januar 2007 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitpunkt ab Eingang des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim SG Aurich im Dezember 2006.
Das SG hat die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zutreffend dargelegt; hierzu wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Ausgehend hiervon steht dem Antragsteller zur Überzeugung des Gerichts kein Anordnungsanspruch zu. Zu Recht hat der Antragsgegner mit Änderungsbescheid vom 23. August 2006 sowie Änderungsbescheid vom 28. August 2006 (für den Zeitraum 1.9.2006 - 28.2.2007), durch Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 2007 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 19. Februar 2007 und vom 23. März 2007 (für den Bewilligungszeitraum 1.3.2007 - 31.8.2007) und durch den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. Februar 2007 (für den Zeitraum 1.7.2006 - 31.8.2006) die Steuererstattung für das Jahr 2006 in Höhe von 1.169,96 € (Steuerbescheid des Finanzamts G. vom 13.6.2006) mit einem Betrag von jeweils 1/12 der Rückerstattungssumme als Einkommen angerechnet. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass es sich bei Steuerrückerstattungen grundsätzlich um zu berücksichtigendes Einkommen gemäß § 11 SGB II, nicht aber um Vermögen gemäß § 12 SGB II handelt. Auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen des SG Aurich wird Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Lediglich ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
Nach § 11 Abs.1 SGB II sind als Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, während dem Hilfebedürftigen für Vermögen gemäß § 12 SGB II höhere Freibeträge eingeräumt werden und in deren Umfang keine Anrechnung stattfindet. Zur Unterscheidung von Einkommen und Vermögen im Rahmen der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II kann auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur Bestimmung des sozialhilferechtlichen Einkommens und des Bundessozialgerichts (BSG) zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen im Rahmen der Arbeitslosenhilfe zurückgegriffen werden. Hiernach ist Einkommen all das, was der Hilfebedürftige während eines Zahlungszeitraums wertmäßig dazu erhält, Vermögen ist demgegenüber das, was er bei Beginn eines Zeitraums bereits hat (sogenannte Zuflusstheorie, vgl. BVerwG, Urteil vom 18.2.1999 - BVerwG 5 C 35.97 -, NJW 1999, S. 3649 ff.; BSG, Urteil vom 9.8.2001 - B 11 AL 15/01 R -, SozR 3-4300 § 193 Nr. 3, zitiert nach Juris). Diese Zuflusstheorie ist auch weiterhin heranzuziehen, da die Regelungen der §§ 11 ff. SGB II im Wesentlichen den Bestimmungen des Sozialhilferechts entsprechen und der Einkommensbegriff im Recht der Sozialhilfe auf das SGB II übertragen worden ist (vgl. BT-Drucks. 15/1516, S. 5). Die Auszahlung einer Steuererstattung durch das Finanzamt ist ein Zufluss in diesem Sinne und damit - in Fortsetzung der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 18.2.1999, a.a.O.) - als Einkommen zu werten, nämlich als einmalige Einnahme (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.7.2006 - L 19 B 303/06 AS ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.11.2006 - L 8 AS 325/06 ER -, FEVS 58, 319 ff.; Bayer. LSG, Urteil vom 19.12.2006 - L 7 AS 225/06, zitiert nach Juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.06.2007 - L 12 AS 44/06, veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Der Zuordnung als Einkommen im Jahr der...