Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Klagefrist. Rechtsbehelfsbelehrung. Bezugnahme auf Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Widerspruchsbescheid mit einfachem Brief bekanntgegeben, dann wird der Empfänger über die Rechtsbehelfsfrist hinreichend mit dem Hinweis belehrt, dass eine Klage innerhalb eines Monats "nach seiner Bekanntgabe" zu erheben ist.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der im Hauptsacheverfahren eine Erwerbsminderungsrente anstrebende Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.

Nach erfolglosem Ausgangsverfahren wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 24. Februar 2010 zurück. Dieser Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers mit einfachem Brief übersandt, der am darauffolgenden Tag zur Post gegeben worden ist und den Bevollmächtigten wenige Tage später erreicht hat. Der Widerspruchsbescheid enthielt folgende Rechtsbehelfsbelehrung: "Gegen diesen Widerspruchsbescheid können Sie innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe schriftlich Klage erheben beim Sozialgericht Hannover… Sie können sich aber auch an den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts wenden und Ihre Klage schriftlich aufnehmen lassen."

Mit der am 20. August 2010 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass die Rechtsbehelfsbelehrung durch die Verwendung des ungenauen und missverständlichen Begriffs der Bekanntgabe unzutreffend sei. Dementsprechend habe er nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG die Klage innerhalb eines Jahres erheben können; diese Frist habe er gewahrt.

Den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung seines Bevollmächtigten Rechtsanwalt F. hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 4. Oktober 2010 abgelehnt. Die Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid sei nicht zu beanstanden. Angesichts der Versäumung der Klagefrist fehlten der beabsichtigten Rechtsverfolgung die erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers vom 14. Oktober 2010, mit der dieser anknüpfend an Entscheidungen des BSG weiterhin eine Ungenauigkeit und Missverständlichkeit des in der Rechtsbehelfsbelehrung verwandten Begriffs der Bekanntgabe geltend macht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senates fehlen der beabsichtigten Rechtsverfolgung schon deshalb die nach § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten, weil der Kläger die Klagefrist versäumt hat. Dementsprechend besteht kein Anlass, näher auf das Fehlen einer weitergehenden inhaltlichen Begründung der Klage und auf die nur unvollständigen Angaben im Antragsformular einzugehen.

Der Kläger hat augenscheinlich, was auch von seiner Seite nicht in Abrede gestellt wird, die einmonatige Klagefrist nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG versäumt. Diese Frist ist im vorliegenden Fall maßgebend, da entgegen der Rechtsauffassung des Klägers die dem Widerspruchsbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung keine Unrichtigkeit im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG aufwies. Mithin kann er sich auch nicht darauf berufen, dass ihm in Anwendung dieser Vorschrift eine Frist von einem Jahr zur Klageerhebung zur Verfügung gestanden habe.

Das Gesetz selbst stellt in § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ausdrücklich auf den Zeitpunkt der "Bekanntgabe" als maßgeblichen Zeitpunkt für den Beginn der einmonatigen Klagefrist ab. Schon deshalb kann es als solches weder unrichtig noch missverständlich sein, wenn die Beklagte in der beanstandeten Rechtsbehelfsbelehrung ebenfalls auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe abgestellt hat.

Zu erwägen wäre allenfalls, ob die Beklagte darüber hinaus verpflichtet gewesen sein könnte, den zutreffend herangezogenen Begriff der Bekanntgabe inhaltlich näher zu erläutern. Diese Frage ist jedoch zu verneinen. Schon bezogen auf die bis 2001 maßgebliche Fassung des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG, als diese Norm auf den Zeitpunkt der seinerzeit noch vorgeschriebenen Zustellung des Widerspruchsbescheides abstellte, hat das BSG klargestellt, dass die Frist bereits dann hinreichend bezeichnet ist, wenn die Worte des § 87 Absatz 1 SGG (“binnen eines Monats nach Zustellung”) verwendet werden. Über Vorschriften zum Zeitpunkt der Zustellung braucht hingegen nicht belehrt zu werden. Das Gesetz überlässt es vielmehr dem Empfänger, diesen Zeitpunkt selbst festzustellen (BSG, Urteil vom 24. März 1993 - 9/9 a RV 17/92, NZS 1993, 375).

Diesbezüglich hat sich die Interessenlage durch die Neufassung der §§ 85 Abs 3 Satz 1 und 87 Abs. 1 Satz 1 SGG durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl I 2144) zum 2. Januar 2002 nicht geändert. Da seitdem keine Zustellung von Widerspruchsbescheiden mehr gefo...

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