Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutz. Voraussetzung der Neuregelung. Beschwerdegegenstand. Wertermittlung
Leitsatz (amtlich)
1. § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in der ab dem 1.4.2008 geltenden Fassung ist dahingehend zu verstehen, dass die Beschwerde immer dann ausgeschlossen - unzulässig - ist, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht kraft Gesetzes ohne weiteres zulässig wäre, sondern erst noch der Zulassung bedürfte.
2. Bei der Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei Grundsicherungsleistungen nach dem SGB 12 ist der Antrag grundsätzlich auf den gem § 44 Abs 1 SGB 12 regelmäßig höchstmöglichen 12-monatigen Bewilligungszeitraum einzuschränken.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 27.März 2008 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der unter anderem durch einen Diabetes mellitus Typ II a in seiner Gesundheit beeinträchtigte und seit dem 1. Januar 2006 von der Antragsgegnerin Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII beziehende Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihm die Grundsicherungsleistungen unter Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 30 Abs 5 SGB XII in Höhe von 55,06 € monatlich ab dem 1.September 2007 (hilfsweise ab Februar 2008) zu gewähren. Seinen entsprechenden Antrag hat das Sozialgericht Hannover (SG) mit Beschluss vom 27.März 2008 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, weil nach der u.a. auf das “Rationalisierungsschema 2004„ des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner e.V. gestützten Rechtsprechung des 6.Senats des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 26.Februar 2007 - L 6 AS 71/07ER -) bei einer Erkrankung an Diabetes mellitus - gleich welchen Typs - eine kostenaufwändige spezifische Ernährung nicht erforderlich sei. Gegen diesen ihm am 1.April 2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 2.Mai 2008 Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig und als solche zu verwerfen (§ 202 SGG iVm § 572 Abs 2 Satz 2 ZPO).
Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in seiner ab 1.April 2008 geltenden Fassung (Artikel 1 Nr 29 Buchstabe b des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.März 2008 - BGBl I S. 444) unzulässig. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Diese neue ohne Übergangsregelung am 1.April 2008 in Kraft getretene Beschwerdeausschlussregelung ist anwendbar. Nach dem allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts erfasst eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten (BVerfGE 87, 48). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz aus Gründen des Vertrauensschutzes ist anerkannt, wenn eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln zum Fortfall der Statthaftigkeit eines bereits eingelegten Rechtsmittels führen würde (BVerfG, aaO). Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor, weil der Antragsteller erst am 2.Mai 2008 Beschwerde eingelegt hat. Vertrauensschutz bestand auch nicht dergestalt, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Rechtsänderung noch im Vertrauen auf die dem angegriffenen Beschluss des SG vom 27.März 2008 nach alten Recht beigefügte Rechtsmittelbelehrung rechtzeitig unter der Geltung des alten Rechts hätte Beschwerde einlegen können (zu einer solchen - durchaus fraglichen - Ausnahme vgl.: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2.Juni 2008, L 32 B 758/08AS, Juris). Denn der Beschluss des SG wurde ihm erst am 1. April 2008, als das neue Recht bereits in Kraft war, zugestellt.
Die nach ihrem Wortlaut und ihrer Systematik nicht eindeutige neue Regelung des § 172 Abs 3 Nr 1 SGG ist dahingehend zu verstehen, dass die Beschwerde dann ausgeschlossen - unzulässig - ist, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht kraft Gesetzes ohne weiteres zulässig wäre, sondern erst noch der Zulassung bedürfte (so auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 10.April 2008 - L 9 B 74/08 AS ER - und vom 2.Juli 2008 - L 7 B 192/08AS ER -; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11.August 2008 - L 7 AS 213/08 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 8.September 2008 - L 13 AS 178/08ER -; Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 1.September 2008 - L 5 AS 70/08NZB -; im Ergebnis auch: Landessozialgericht Berlin- Brandenburg, Beschlüsse vom 2.Juni 2008 - L 28 B 919/08AS - und vom 26.Juni 2008 - L 25 B 938/08AS -, sämtlich veröffentlicht in Juris; Burkiczak, Die Änderungen des Sozialgerichtsgesetzes im Jahre 2008, ZFSH/SGB 2008, 323, 330 li).
Der Senat teilt zwar nicht die Auffassung, dass der Wortlaut des § 172 Abs 3 Nr 1 SGG ein s...