Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. keine Umdeutung in Berufung bei Unzulässigkeit

 

Orientierungssatz

1. Bedarf es keiner Entscheidung des Senats über die Zulassung der Berufung, weil der Berufungsbeschwerdewert überschritten wird (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG), ist die trotzdem eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.

2. Das Beschwerdeverfahren kann nicht als Berufungsverfahren fortgeführt werden, da nach § 145 Abs 5 S 1 SGG das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren nur bei gesonderter Zulassung der Berufung durch das Beschwerdegericht fortgesetzt wird. Auch eine Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung ist nicht möglich. Das gilt auch dann, wenn der Kläger nicht rechtskundig vertreten ist. Das entspricht dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit, die in den Verantwortungsbereich des Rechtsmittelführers fällt.

 

Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beigeladenen zu 2. gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. November 2011 wird als unzulässig verworfen.

Die Beigeladene zu 2. hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten des Eigenanteils für die Anschaffung eines digitalen Hörgerätes.

Die 1971 geborene Klägerin ist von Beruf Kassiererin. Am 28. April 2009 beantragte sie bei der Beigeladenen zu 2. die Übernahme ihres Eigenanteils für die Anschaffung eines digitalen Hörgerätes. Das Hörgerät der Marke BRITE 50X RITE DM kostete 1.870,20 €. Der Kassenanteil betrug 651,48 €, der Eigenanteil der Klägerin 1.218,72 €. Die Beigeladene zu 2. leitete den Antrag an die Beklagte weiter, die mit Bescheid vom 3. August 2009 den Antrag auf Übernahme des Eigenanteils ablehnte. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2009 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 13. Oktober 2009 beim Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben. Mit Beschluss vom 14. Mai 2010 hat das SG Hannover zunächst die Krankenkasse der Klägerin, die Beigeladene zu 1., zu dem Verfahren beigeladen und sodann mit Beschluss vom 10. September 2010 die Beigeladene zu 2. Mit Urteil vom 18. November 2011 hat das SG die Beigeladene zu 2. verurteilt, der Klägerin die Kosten für das Hörgerät in vollem Umfang zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In der beigefügten Rechtsmittelbelehrung heißt es: "Dieses Urteil kann nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom Sozialgericht nicht zugelassen worden ist."

Gegen das ihr am 20. Juli 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. August 2012 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Beigeladenen zu 2.

Sie ist der Auffassung, dass der Zulassungsgrund der Divergenz nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie der Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nach § 144 Satz 2 Nr. 3 SGG gegeben sei. Sofern der Senat aufgrund des Beschwerdewertes von 1.228,72 € die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig ansehen sollte, müsse die von ihr eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde aufgrund der dann unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung in eine Berufung umgedeutet werden.

Die Beigeladene zu 2. beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. November 2011 zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Nichtzulassungsbeschwerde der Beigeladenen zu 2. als unzulässig zu verwerfen.

Sie trägt vor:

Der Berufungsbeschwerdewert von 750,00 € sei im vorliegenden Verfahren überschritten, so dass die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig sei. Die insoweit unzutreffende Rechtsmittelbelehrung des SG Hannover ändere daran nichts. Eine Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung sei ausgeschlossen, weil es der Beigeladenen zu 2. oblegen hätte, die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung des SG Hannover in eigener Verantwortung zu prüfen.

Die Beklagte verzichtet auf eine Stellungnahme.

Die Beigeladene zu 1. hat zu der Nichtzulassungsbeschwerde der Beigeladenen zu 2. keine Stellungnahme abgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Reha-Akte der Beigeladenen zu 2. verwiesen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen. Denn die Berufung gegen das Urteil des SG Hannover vom 18. November 2011 ist bereits kraft Gesetzes statthaft und bedarf nicht der gesonderten Zulassung durch das Beschwerdegericht.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nach § 144 Abs. 2 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

In dem Klageverfahren streiten die B...

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