Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilungsmaßstab. Gestaltungsspielraum. Honorarverteilungsgerechtigkeit. Berechnung individueller Honorarkontingente. Verfassungswidrigkeit der Vergütungsbegrenzung. Rechtmäßigkeit der Begrenzung auf den Fachgruppendurchschnitt. Berechnung nach Median
Orientierungssatz
1. Bei der Ausgestaltung eines Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen einen Gestaltungsspielraum, da die Honorarverteilung eine in der Rechtsform einer Satzung ergehende Maßnahme der Selbstverwaltung ist (vgl BSG vom 13.3.2002 - B 6 KA 1/01 R = BSGE 89, 173 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45).
2. Ein HVM muss mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehen und das in § 85 Abs 4 S 3 SGB 5 niedergelegte Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars sowie den aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG hergeleiteten Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit berücksichtigen (vgl BSG vom 29.9.1993 - 6 RKa 65/91 = BSGE 73, 131 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4).
3. Individuelle Honorarkontingente können anhand der Honorarvolumina aus zurückliegenden Zeiträumen des betreffenden Zahnarztes berechnet werden (vgl BSG vom 21.10.1998 - B 6 KA 71/97 R = BSGE 83, 52 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28).
4. Es ist mit dem aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit unvereinbar, wenn die mit der individuellen Bemessungsgrenze beabsichtigte Vergütungsbegrenzung solche Praxen, die im Bemessungszeitraum mit einer unterdurchschnittlichen Fallzahl den durchschnittlichen Umsatz der maßgeblichen Zahnarztgruppe nicht erreicht hätten, faktisch daran hindern würden, ihren Umsatz durch einen Zugewinn von Patienten zumindest bis zu diesem Durchschnittsumsatz zu steigern (vgl BSG vom 21.10.1998 aaO).
5. Die Steigerungsmöglichkeit für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen darf auf den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe begrenzt werden (vgl BSG vom 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 5).
6. Die Berechnung des Fachgruppendurchschnitts anhand des Medians ist von dem weiten Gestaltungsspielraum gedeckt, der einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung bei der Ausgestaltung ihres Honorarverteilungsmaßstabes zusteht.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Honorareinbehalt und die Höhe des Individualbudgets der Klägerin für das Jahr 1999.
Die Klägerin ist seit dem 1. September 1995 als Vertragszahnärztin in B zugelassen. Mit Bescheid vom 1. März 1999 setzte die Beklagte die HVM-Bemessungsgrenze der Klägerin für das Kalenderjahr 1999 für die Zahnersatzleistungen auf 52.667,00 DM und für die Sachleistungen auf 177.110,00 DM fest. Der Landesdurchschnitt lag bei 80.000,00 DM bzw. 217.200,00 DM. Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 8. März 1999 mit der Begründung Widerspruch, ihr Individualbudget sei zu niedrig bemessen, denn es liege deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Am 18. März 1999 lehnte der HVM-Ausschuss der Beklagten die Abhilfe ab. Am 30. März 1999 erhob die Klägerin dagegen ebenfalls "Widerspruch" und begründete diesen mit den Entscheidungen des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 21. Oktober 1998, in denen der das Kalenderjahr 1995 betreffende HVM der Beklagten teilweise für rechtswidrig erachtet wurde. Mit weiterem Bescheid vom 25. Juni 1999 erging eine vorläufige Vergütungsabrechnung für das Quartal I/99, der für die Sachleistungen einen vorläufigen Einbehalt in Höhe von 26.373,00 DM vorsah.
In einem weiteren Bescheid vom 13. September 1999 legte die Beklagte aufgrund des geänderten HVM 1999 vom 31. August 1999 die für die Klägerin geltende Bemessungsgrenze wie folgt fest: für Zahnersatzleistungen auf 58.864,00 DM (Landesdurchschnitt: 90.000,00 DM) und für die Sachleistungen auf 173.382,00 DM (Landesdurchschnitt: 212.800,00 DM). Am 20. September 1999 erhob die Klägerin dagegen Widerspruch mit der Begründung, da sie erst ab 1. September 1995 zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit zugelassen sei, sei sie zumindest bis zum 1. September 1997 als Neugründerin zu behandeln gewesen, weshalb ihre tatsächlichen Einnahmen des Jahres 1997 nicht bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage hätten herangezogen werden dürfen. Mit Bescheid vom 16. November 1999 entschied der HVM-Ausschuss, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Härtefallregelung nicht vorlägen, so dass die für sie gültige Bemessungsgrenze zutreffend berechnet worden sei.
Mit ihrer dagegen gerichteten Klage vom 20. Dezember 1999 hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass ihrer noch im Aufbau befindlichen Praxis eine individuelle Bemessungsgrundlage in Höhe des Landesdurchschnitts habe zugebilligt werden müssen. So sei die natürliche Entwicklung ihrer Praxis im Sinne einer Erweiterung beeinträchtigt worden, deshalb sei sie gegenüber den etablierten Praxen benachteiligt worden. Wenn der HVM di...