Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Unzulässigkeit der Pauschalierung der Heizkosten. Einkommensberücksichtigung. Absetzung von Pauschbeträgen für Fahrkosten. Kindergartenbeiträge als Werbungskosten. betriebliche Altersversorgung. Zuschüsse des Arbeitgebers zur Pensionskasse als zweckbestimmte Einnahmen. Absetzbarkeit des Arbeitnehmerbeitrages. Angemessenheit des Privatversicherungsbeitrages. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Absetzbarkeit von Beiträgen zur privaten Altersvorsorge nach § 11 Abs 2 Nr 3 SGB 2.
2. Fahrkosten zur Arbeitsstätte können von dem Hilfesuchenden von seinem Erwerbseinkommen nach der Spezialregelung des § 11 Abs 2 Nr 5 SGB 2 / § 3 Nr 3 Buchst a DBuchst bb AlgIIV nur in Höhe von 0,06 Euro pro Entfernungskilometer in Abzug gebracht werden.
Orientierungssatz
1. Die Begrenzung der nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 zu übernehmenden Heizkosten auf eine Pauschale ohne Ermittlung der nach den Umständen des Einzelfalls angemessenen Heizkosten ist unzulässig (vgl BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R = NDV-RD 2009, 139).
2. Eine Absetzbarkeit von Kindergartenbeiträgen als Werbungskosten nach § 11 Abs 2 Nr 5 SGB 2 ist nicht gegeben, wenn der Partner des Einkommen erzielenden Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft mangels Erwerbstätigkeit die Kinder hätte betreuen können.
3. In Abgrenzung zu dem Arbeitsentgelt, welches nach Entgeltumwandlung als Arbeitnehmerbeitrag zur vereinbarten betrieblichen Altersversorgung an eine Pensionskasse gezahlt wird, handelt es sich bei den Zuschüssen des Arbeitgebers an die Pensionskasse um zweckbestimmte Einnahmen iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2, die nicht gem § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 als Einkommen zu berücksichtigen sind.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 23. November 2005 aufgehoben.
Die Klage der Kläger gegen den Bescheid der Agentur für Arbeit Wilhelmshaven vom 7. Dezember 2004 (in der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 4. März 2005 und in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15. März 2005 sowie der Änderungsbescheide vom 22. August und 20. Oktober 2005) wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), und zwar ab Januar 2005.
Die am 4. Juni 1973 geborene Klägerin zu 1. und der am 20. Februar 1970 geborene Kläger zu 2. mieteten zum 1. August 1999 in der Stadt N., und zwar in der E. eine im Jahre 1940 fertig gestellte 3-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 68,71 qm an; die Grundmiete betrug 420,00 DM (entspricht 214,74 €), an Nebenkosten waren 165,00 DM (entspricht 84,36 €) zu entrichten. Die Wohnung wird mit einer Gastherme beheizt, mit der auch das Warmwasser zubereitet wird. Nachdem der Bezug von Arbeitslosengeld I für die Klägerin zu 1. zum 25. Juni 2004 ausgelaufen war, beantragte sie am 7. Oktober 2004 die Gewährung von SGB II- Leistungen ab 1. Januar 2005. Hierzu gab sie an, in der Wohnung E. lebten neben ihr und ihrer am 6. Januar 2000 geborenen Tochter, der Klägerin zu 3., ihr Lebenspartner, der Kläger zu 2.; der Kläger zu 2. ist der Vater der Klägerin zu 3. . Weiter erklärte die Klägerin zu 1., der monatliche Abschlag für Erdgas zur Beheizung der Wohnung betrage seit dem 1. Dezember 2003 70,00 €, ihr Lebenspartner, der eine Kraftfahrzeugversicherung mit einer halbjährlichen Raten von 141,29 € (monatlich 23,55 €) unterhalte, arbeite seit dem 1. Januar 2004 bei der Firma O. in P. und habe dort im August 2004 ein Bruttoarbeitslohn von 1.991,29 € und ein Nettoarbeitsentgelt von 1.422,99 € erzielt, von diesem Nettoentgelt seien aber noch weitere 204,00 € für eine Altersvorsorgeversicherung in Abzug zu bringen. Mit einem nur an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheid vom 7. Dezember 2004 lehnte die damals noch zuständige Agentur für Arbeit N. (Agentur) den Antrag auf Gewährung von SGB II-Leistungen ab, wobei in dem Bescheid der Kläger zu 2. und die Klägerin zu 3. nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II als weitere Mitglieder der zwischen diesen und der Klägerin zu 1. bestehenden Bedarfsgemeinschaft aufgeführt wurden.
Bei ihren Berechnungen hatte die Agentur einen monatlichen Gesamtbedarf von 1.194,10 € (Einzelbedarfe: Klägerin zu 1.: 432,70 €, Kläger zu 2.: 432,70 €, Klägerin zu 3.: 328,70 €) zu Grunde gelegt. Hierbei waren in die Berechnung für die Kläger zu 1. und 2. an Regelleistung jeweils 311,00 € und für die Klägerin zu 3. an Sozialgeld 207,00 € berücksichtigt worden. Die Kosten der Unterkunft hatte die Agentur insgesamt mit 365,10 € (= 214,74 € Grundmiete + 84,36 € Nebenkosten + 66,00 € "angemessene" Heizkosten) angesetzt und für jeden der Kläger hieraus einen Anteil von 121,70 € errechnet, wobei sie bei den Heizkosten (Abschlag von 70,00 €) einen Betrag von 4,00 € in Abzug gebracht hatte...