Entscheidungsstichwort (Thema)

große Witwenrente. Auskunfts- und Beratungspflicht des Unfallversicherungsträgers. Geburt eines nachehelichen Kindes. Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Zeigt eine Witwe, die gleichzeitig Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung bezieht, beim Unfallversicherungsträger die Geburt eines nachehelichen Kindes an, ist der Unfallversicherungsträger auch nicht allgemein zur Auskunftserteilung und Beratung in rentenversicherungsrechtlicher Hinsicht verpflichtet, wenn nicht gezielt danach gefragt wird.

2. Zum Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.

3. Die vom BSG erwogene Herleitung der Zurechenbarkeit eines Beratungsfehlers "allgemein aus der engen Verflechtung der verschiedenen Zweige der sozialen Sicherung" kann nach Ansicht des Senats nicht ohne konkreten engeren Bezug zu Beratungspflichten jedes Leistungsträgers in allen Zweigen der sozialen Sicherung führen (vgl BSG vom 22.10.1996 - 13 RJ 69/95 = SozR 3-1200 § 14 Nr 22).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.05.2010; Aktenzeichen B 13 R 44/09 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 3. März 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ab einem früheren Zeitpunkt große Witwenrente (statt der gezahlten kleinen Witwenrente) zusteht.

Die 1962 geborene Klägerin heiratete ... 1993 den bei der Beklagten versicherten, 1937 geborenen H R (Versicherter). Der Versicherte bezog seit August 1993 eine Rente wegen einer Berufskrankheit (Silikose) von der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft (GroLa-BG). ... 1994 starb er an den Folgen der Berufskrankheit. Die Klägerin bezog daraufhin von der GroLa-BG ab dem Todestage Witwenrente, die nach dem Bescheid der GroLa-BG vom 30. August 1996 ab April 1995 693,27 DM betrug. Von der Beklagten wurde der Klägerin mit Bescheid vom 13. März 1995 ebenfalls Hinterbliebenenrente in Form einer kleinen Witwenrente bewilligt. In dem Bescheid heißt es u. a., ein Anspruch auf große Witwenrente bestehe nicht, weil die Klägerin das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, nicht berufsunfähig sei, kein Kind erziehe, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, und nicht für ein Kind sorge, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung nicht selbst für seinen Unterhalt aufkommen könne. Die ab 1. April 1995 zu zahlende kleine Witwenrente wurde von vornherein wegen der Höhe des eigenen Einkommens bzw. wegen des Zusammentreffens mit Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht ausgezahlt; die für die Zeit vom ... Dezember 1994 bis 31. März 1995 zunächst gezahlten Rentenbeträge wurden anschließend mit Bescheid vom 11. September 1996 zurückgefordert. Mit Bescheiden vom 14. Juli 1997, 25. September 1997, 15. Juli 1999 und 11. Juli 2000 entschied die Beklagte erneut, dass wegen des Zusammentreffens von Rente und Leistungen aus der Unfallversicherung weiterhin keine Zahlungen erfolgten.

Am 16. Juni 1997 wurde die Tochter der Klägerin J K geboren, was die Klägerin der GroLa-BG auch mitteilte. Eine Mitteilung an die Beklagte erging von Seiten der Klägerin oder von Seiten der GroLa-BG nicht. Die BG übersandte der Beklagten (ohne entsprechende Anforderung) ihren Bescheid vom 18. September 1997, aus dem sich aufgrund eines höheren Jahresarbeitsverdienstes ab Januar 1997 eine höhere Witwenrente in Höhe von monatlich 1.287,39 DM (ohne Anrechnungsbeträge) ergab.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2003 setzte die Klägerin die Beklagte von der Geburt ihrer Tochter in Kenntnis und beantragte die rückwirkende Bewilligung der großen Witwenrente. Sie gab an, sie sei durch die Bescheide der Beklagten nicht über die Voraussetzungen für den Bezug einer großen Witwenrente informiert gewesen. Erst durch zufällige Lektüre eines Ratgebers habe sie erfahren, dass die große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht nur - anders als bei der Hinterbliebenenrente von der Berufsgenossenschaft - bei Erziehung eines leiblichen Kindes des Versicherten gezahlt werde. Im Übrigen sei sie davon ausgegangen, dass die Berufsgenossenschaft wie in anderen Angelegenheiten mit der Beklagten korrespondiert habe. Mit Bescheid vom 12. August 2003 bewilligte die Beklagte sodann große Witwenrente (Auszahlung in Höhe von 264,18 € ab 1. Oktober 2003). Rückwirkend erstreckte sich die Bewilligung auf den Zeitraum ab 1. Juli 2002. Dieser Bescheid wurde rechtsbeständig.

Anschließend machte die Klägerin gegenüber der GroLa-BG (mit Schreiben vom 29. September 2003) einen Amtshaftungsanspruch geltend, der in einen Rechtsstreit vor dem Landgericht Bremen (Az. 1 O 2877/03) mündete; aufgrund übereinstimmenden Antrags ist das Verfahren durch Beschluss vom 23. März 2004 zum Ruhen gebracht worden. Die K...

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