Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Arbeitsgelegenheit. Rechtswidrigkeit der Zuweisung. keine zusätzliche Arbeit. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Wertersatz. keine Bestimmung nach dem üblichen tariflichen Arbeitsentgelt. Vorrang des Primärrechtsschutzes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Wertersatz für eine rechtsgrundlos erlangte Arbeitsleistung im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit kann nicht ohne weiteres nach dem üblichen tariflichen Arbeitsentgelt bestimmt werden.

2. Bei aufkommenden Zweifeln an der Zusätzlichkeit der von ihm verrichteten Arbeiten ist der Hilfebedürftige verpflichtet, umgehend Widerspruch gegen den Zuweisungsbescheid einzulegen und ggf gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Unterlässt er dies, scheidet ein Anspruch auf Wertersatz für die geleistete Arbeit nach dem Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes aus.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.08.2013; Aktenzeichen B 14 AS 75/12 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Wertersatz für geleistete Arbeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung.

Die 1962 geborene, alleinstehende Klägerin bezog von dem Beklagten laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Mit Bescheid vom 1. Oktober 2008 bewilligte ihr die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend auch als Beklagter bezeichnet) Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 1. November 2008 bis 30. April 2009 in Höhe von 696,08 € monatlich (351,00 € Regelleistung und 345,08 € Kosten für Unterkunft und Heizung).

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 wies der Beklagte der Klägerin eine Beschäftigung nach § 16 Abs. 3 SGB II bei der Einsatzstelle "I. " mit einer täglichen Arbeitszeit von sieben Stunden ("inklusive Qualifizierungsanteil") für die Zeit vom 3. November 2008 bis voraussichtlich 31. Januar 2009 zu. Die Art der Tätigkeit wurde mit "Organisationskraft Disposition/Büro" bezeichnet, es wurden eine Mehraufwandspauschale von 1,20 € pro geleisteter Stunde sowie Fahrtkosten (Kosten für eine Monatsfahrkarte in Höhe von 43,50 €) bewilligt. Die Klägerin nahm - entsprechend einer auch in einer Eingliederungsvereinbarung vom 31. Oktober 2008/7. November 2008 übernommenen Verpflichtung - in dem vorgesehenen Zeitraum an der Maßnahme teil. Der in der Zuweisung ausgewiesene Qualifizierungsanteil wurde von dem Bildungsträger J. GmbH übernommen.

Mit einem am 9. März 2009 eingegangen Schreiben legte die Klägerin gegen die "Zuweisung vom 31. Oktober 2008" Widerspruch ein und machte geltend, dass die durchgeführte Förderung keinen Bezug zu einer früheren oder möglichen zukünftigen Arbeit gehabt habe. Dies habe sie leider zu spät erkannt. Bereits am Ende der Beschäftigung habe sie allerdings erkannt, dass ihre Zuweisung zu I. ausschließlich dazu gedient habe, dieser Einrichtung zu einer kostengünstigen bzw. kostenfreien Arbeitskraft zu verhelfen. Es habe sich um eine Arbeit für eine sozialversicherungspflichtige Arbeitskraft gehandelt. Sie sei "Quasi-Arbeitnehmer" in einem faktischen Arbeitsverhältnis gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2009 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig und gab zur Begründung an, dass es sich bei der Zuweisung nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe.

Die Klägerin hat am 24. Juni 2009 Klage erhoben, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Widerspruchsvorbringens die Aufhebung des "Zuweisungsbescheides vom 31. Oktober 2008" und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer "leistungsgerechten Arbeitsvergütung" begehrt hat. Letztere hat sie ausgehend von einem Monatsgehalt von 2.094,30 € nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), Entgeltgruppe E1 bis E4, mit einem Gesamtbetrag für drei Monate in Höhe von 6.282,90 € beziffert.

Mit Urteil vom 23. Februar 2010 hat das Sozialgericht (SG) Bremen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Sie sei aber unbegründet, weil es an einer gesetzlichen Grundlage für den geltend gemachten Anspruch fehle. Die Voraussetzungen für den allein in Betracht kommenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch seien nicht gegeben. Dafür könne letztlich dahinstehen, ob die Zuweisung in die Arbeitsgelegenheit, bei der es sich nicht um einen Verwaltungsakt handele, ohne rechtlichen Grund erfolgt sei. Allerdings teile die Kammer die Zweifel der Klägerin an der Rechtmäßigkeit der Zuweisung nicht. Bei I. handele es sich um den von der K. Landesmedienanstalt betriebenen Offenen Kanal für die Städte L. und M. (Hinweis auf § 1 Abs. 1 der Satzung des Offenen Kanals i. V. m. § 44 des K. Landesmediengesetzes - BremLMG - vom 22. März 2005, Brem.GBl. S. 71) und nicht um einen privatwirtschaftlichen und damit gewinnorient...

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