Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärzte. Wiederzulassung zur Teilnahme an der vertragzahnärztlichen Tätigkeit. Voraussetzungen eines aufeinander abgestimmten Verfahrens. Eingreifen der Wiederzulassungssperre nach einer Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs 1 SGB 5. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen eines "mit anderen Vertragsärzten aufeinander abgestimmten Verfahrens" iS des § 95b SGB 5.
2. Die 6-jährige Wiederzulassungssperre nach § 95b Abs 2 SGB 5 greift ein, wenn die Aufsichtsbehörde die Feststellung nach § 72a Abs 1 SGB 5 getroffen hat, ohne dass es auf deren Rechtmäßigkeit ankommt.
3. § 95b Abs 2 SGB 5 ist mit dem GG vereinbar.
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. Juni 2006 werden zurückgewiesen.
Die Klägerinnen haben die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldnerinnen zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 132.776,88 €.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Wiederzulassung der Klägerin zu 1. zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Tätigkeit.
Die Klägerin zu 1. ist Fachzahnärztin für Kieferorthopädie und nahm seit dem 01. Dezember 1994 an ihrem Praxissitz in F. (Landkreis G.) an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Mit Schreiben vom 20. März 2004 verzichtete sie dem Zulassungsausschuss Niedersachsen für die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit gegenüber auf ihre Zulassung und führte zur Begründung u.a. an, die Entwicklungen im Gesundheitswesen, insbesondere die neuen Gesetzesänderungen, betrachte sie mit größter Sorge; trotz aller Berufsethik sei es ihr nicht möglich, ihren Praxisbetrieb unter diesen Bedingungen wirtschaftlich solide weiterzuführen; sie sehe sich nicht in der Lage, ihren Beruf im Sinne dieser politisch angeordneten Planwirtschaft auszuüben. Der Zulassungsausschuss stellte mit Beschluss vom 28. April 2004 fest, dass ihre Zulassung mit dem 30. Juni 2004 ende.
Mit Bescheid vom 03. Juni 2004 stellte das Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit des Beigeladenen zu 8. (im Folgenden: Ministerium) fest, dass in den drei niedersächsischen Planungsbereichen Landkreis Cuxhaven, Landkreis Hannover und Landkreis Hildesheim insgesamt 23 (in Niedersachsen insgesamt: 41) und damit jeweils mehr als 50 % aller dort niedergelassenen Vertragszahnärzte, die kieferorthopädische Leistungen erbringen, in einem mit anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre Zulassung zum 30. Juni 2004 nach § 95 b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verzichtet hätten und dadurch die vertragszahnärztliche kieferorthopädische Versorgung ab 01. Juli 2004 dort nicht mehr sichergestellt sei. Die Annahme eines aufeinander abgestimmten Verhaltens ergebe sich aus dem zeitlichen und inhaltsgleichen Zusammentreffen der Zulassungsverzichte sowie der zahlreichen gemeinsam von den Kieferorthopäden und den zahnärztlichen und fachzahnärztlichen Berufsvertretungen öffentlichkeitswirksam erkennbar gewordenen Erklärungen und Meinungsäußerungen. Im Landkreis H. hätten 8 von 11 Vertragszahnärzten auf ihre Zulassung verzichtet, darunter die Klägerin zu 1. Die ursprünglich von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV; Klägerin zu 2.) hiergegen erhobene Klage ist wieder zurückgenommen worden.
Mit Schreiben vom 13. August 2004 beantragte die Klägerin zu 1. beim Zulassungsausschuss ihre erneute Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit. Mit Beschluss vom 22. September 2004 lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag ab und berief sich zur Begründung darauf, dass die Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72 a Abs. 1 SGB V gemäß § 95 b Abs. 2 SGB V zur Folge habe, dass eine erneute Zulassung frühestens nach Ablauf von 6 Jahren nach Abgabe der Verzichtserklärung erteilt werden könne. Hiergegen legte die Klägerin zu 1. am 30. September 2004 Widerspruch ein, den sie am 18. Oktober 2004 begründete. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 08. Dezember 2004 zurück, der der Klägerin zu 1. am 21. Dezember und der Klägerin zu 2. am 20. Dezember 2004 zugestellt worden ist. Für die Klägerin zu 1. gelte die Sperre des § 95 b Abs. 2 SGB V. Mit der Verfügung des Ministeriums vom 03. Juni 2004 sei davon auszugehen, dass alle dort aufgeführten 41 Kieferorthopäden ihren Verzicht in einem aufeinander abgestimmten Verfahren abgegeben hätten. Demzufolge sei es zur Feststellung nach § 72 a Abs. 1 SGB V gekommen.
Hiergegen hat die Klägerin zu 1. am 27. Dezember 2004 Klage vor dem Sozialgericht (SG; Az.: S 43 KA 19/05) erhoben. Die Klägerin zu 2. hat ihrerseits am 14. Januar 2005 Klage erhoben; diese Klage ist ursprünglich unter dem selbstständigen Aktenzeichen S 35 KA 8/05 geführt worden.
Mit Schreiben vom 21. März 2005 beantragte die Klägerin zu 1. erneut ihre Wiederzulassung zur vertragszahnär...