Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept. Einpersonenhaushalt in der Landeshauptstadt Hannover. Unterkunftskostenzuschuss. Berücksichtigung der Angemessenheitsgrenze ohne vorherige Kostensenkungsaufforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Die vom Jobcenter Region Hannover für Einpersonenhaushalte (Landeshauptstadt Hannover) für die Zeit von August 2011 bis Mai 2012 festgelegte Mietobergrenze von 354,-- Euro (Bruttokaltmiete) ist nicht zu beanstanden.
2. Es begegnet dabei keinen Bedenken, die Kappungsgrenze beim 33% Quantil der aus einem qualifizierten Mietspiegel gewonnenen Mietwerte zu ziehen.
3. Beim Zuschuss zu den ungedeckten KdU (§ 27 Abs 3 SGB II) bedarf es für die Deckelung der berücksichtigungsfähigen KdU auf die Angemessenheitsgrenze nach § 22 SGB II keiner vorherigen Kostensenkungsaufforderung.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 5. Oktober 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Eine Kostenerstattung findet im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren nicht statt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von weiteren 6,- Euro pro Monat als Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (§ 27 Abs 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) für die Zeit von August 2011 bis Mai bzw. Juli 2012.
Die 1991 geborene und im streitbefangenen Zeitraum alleinstehende Klägerin zog am 1. Juni 2010 in eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 51 qm Wohnfläche in Hannover, Stadtteil I.. Für diese Wohnung zahlte sie zunächst eine Bruttokaltmiete von 340,- Euro (Nettokaltmiete 270,- Euro zzgl. 70,- Euro Betriebskosten). Die Strom- und Gasversorgung erfolgte über von der Klägerin direkt mit den Energieversorgern abgeschlossene Verträge.
Beim Einzug in diese Wohnung hatte der Beklagte der Klägerin, die zum Umzugszeitpunkt im laufenden Bezug von Arbeitslosengeld II stand, die volle Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Wohnung unter der Bedingung zugesichert, dass die Bruttokaltmiete auch weiterhin 340,- Euro nicht übersteige (Zusicherung vom 6. Mai 2010). In der Folgezeit bewilligte der Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung sämtlicher tatsächlich für diese Wohnung anfallender Kosten (Grundmiete zunächst: 270,- Euro; seit Januar 2011: 280,- Euro; Betriebskosten zunächst: 70,-, später: 80,- Euro; Heizkostenabschläge in tatsächlicher Höhe, zuletzt 46,- Euro), so dass die anerkannten Unterkunftskosten - ungeachtet der insoweit auf lediglich 340,- Euro lautenden Zusicherung vom 6. Mai 2010 - zuletzt 360,- Euro Bruttokaltmiete betrugen (zzgl. 46,- Euro Heizkosten; vgl. zur Übernahme auch der Nachforderungen von Betriebs- und Heizkosten: Bescheide vom 26. Mai 2011 und 10. Juni 2011). Bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II rechnete der Beklagte das von der Klägerin zeitweise und in unterschiedlicher Höhe erzielte Arbeitsentgelt an (unter Berücksichtigung der einschlägigen Freibeträge). Dies führte dazu, dass aufgrund bedarfsüberschreitenden Einkommens der SGB II-Leistungsanspruch u.a. im Juni 2011 vollständig entfiel. In den Monaten Mai und Juli 2011 ergab sich dagegen auch unter Anrechnung des erzielten Einkommens ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II (vgl. im Einzelnen: Bescheid vom 2. Februar 2012).
Mit Wirkung ab 1. August 2011 stellte der Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld II ein, weil die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ihre Schulausbildung wieder aufgenommen hatte (Nachholung des Fachabiturs) und ihr hierfür bewilligten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bewilligt worden waren (Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB II). Stattdessen bewilligte der Beklagte der Klägerin mit den im vorliegenden Verfahren streitbefangenen zwei Bescheiden vom 5. Oktober 2011 monatliche Zuschüsse zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (§ 27 Abs 3 SGB II) in Höhe von zunächst 238,- Euro (August 2011 bis Juli 2012). Hierbei wurde das Einkommen der Klägerin aus Kindergeld (184,- Euro pro Monat) und BAföG (465,- Euro pro Monat) abzüglich der einschlägigen Freibeträge (30,- Euro Versicherungspauschale sowie 93,- Euro ausbildungsbedingter Bedarf) angerechnet. Als Kosten der Unterkunft (KdU) berücksichtigte der Beklagte jedoch nicht mehr die von der Klägerin tatsächlich gezahlte Bruttokaltmiete von 360,- Euro, sondern nur noch die von ihm als maximal angemessen angesehene, um die streitbefangenen 6,- Euro pro Monat niedrigere Bruttokaltmiete von 354,- Euro (sog. Mietobergrenze nach dem vom Beklagten erstellten Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdU i.S.d. § 22 SGB II). Die Heizkosten erkannte der Beklagte weiterhin in tatsächlicher Höhe an (Heizkostenabschläge i.H.v. 46,00 Euro bzw. 53,55 Euro nach Erhöhung der Abschlagzahlungen zum 1. Mai 2012).
Die Klägerin legte gegen die beiden Zuschuss-Bescheide vom 5. Oktober 2011 jeweils Widerspruch ein und begeh...