Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Rentenversicherungsträgers gegen die vorrangig verpflichtete Krankenkasse. medizinische Rehabilitation. Begrenzung der Erstattungshöhe durch Vergütungsvereinbarungen nach § 111 Abs 5 SGB 5

 

Orientierungssatz

Der Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Rentenversicherungsträgers gegen die vorrangig verpflichtete Krankenkasse für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wird durch eine Vergütungsvereinbarung gemäß § 111 Abs 5 SGB 5 der Höhe nach begrenzt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.06.2023; Aktenzeichen B 1 KR 23/22 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26. August 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 389,55 Euro festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Rahmen einer Erstattungsstreitigkeit begehrt die erstattungsberechtigte Rentenversicherungsträgerin von der erstattungspflichtigen gesetzlichen Krankenkasse eine höhere Erstattungssumme.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung weiterer Pflegekosten, die der Klägerin für die Durchführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für den bei beiden Beteiligten Versicherten entstanden sind.

Die Klägerin bewilligte Herrn D. (geb. 6.6.1953, Versicherter) auf dessen Antrag eine Anschluss-Rehabilitation (Reha; Antrag vom 14.4.2016; Bewilligung vom 19.4.2016) in der Zeit vom 9.5.2016 bis zum 30.5.2016.

Nach Bewilligung der Reha und noch vor dessen Antritt beantragte der Versicherte bei der Klägerin die Altersrente (Antrag vom 22.4.2016).

Sodann nahm der Versicherte die Reha in Anspruch.

Nach Abschluss der Reha bewilligte die Klägerin dem Versicherten auf seinen Antrag Altersrente ab dem 1.9.2016 (Bescheid vom 27.7.2016).

Im September 2016 meldete die Klägerin ihren Erstattungsanspruch in Höhe von 3438,02 Euro für die Reha-Maßnahme bei der Beklagten an, die den Anspruch dem Grunde nach anerkannte. Dabei kürzte die Beklagte die Pflegekosten in Höhe von 2.819,64 Euro auf 2.430,10 Euro. Der streitige Kürzungsbetrag beruht auf demjenigen Preis, der zwischen der Beklagten und der Reha-Klinik als Vergütung vereinbart wurde.

Am 5.2.2020 hat die Klägerin Klage gegen die Beklagte auf Zahlung der Differenz i.H.v. 389,55 Euro erhoben. Anspruchsgrundlage des Erstattungsanspruchs sei entsprechend der Rechtsprechung des BSG § 104 SGB X, wohingegen die Gemeinsame Empfehlung zur Zuständigkeitsklärung der Reha-Träger, die von § 103 SGB X ausgehe, nicht anzuwenden sei. Die erstattungsverpflichtete Beklagte könne dem Anspruch nicht entgegenhalten, dass sie die Leistung kostengünstiger hätte erbringen können.

Die Beklagte hat vor dem SG geltend gemacht, dass ein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X angemeldet worden sei und nicht nach § 104 SGB X, der auch nicht anwendbar sei.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26.8.2021 abgewiesen, die Berufung zugelassen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unbegründet, weil die Vergütungsvereinbarungen der Beklagten nach § 111 Abs. 5 SGB V gem. § 104 Abs. 3 SGB X auch im Verhältnis der Beteiligten zu berücksichtigen seien.

Im Einzelnen hat das SG ausgeführt:

Rechtsgrundlage des Anspruchs der Klägerin sei § 104 SGB X. Im (Innen-)Verhältnis der Beteiligten sei die Beklagte vorrangig im Sinne von § 104 SGB X verpflichtet, weil die Klägerin durch § 14 SGB X im Außenverhältnis zuständig bleibe (BSG vom 11.9.2018 - B 1 KR 6/18 R, BSGE 126, 269 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 29 - Leitsatz). Dem hingegen sei § 102 SGB X nicht einschlägig, da die Klägerin nicht vorläufig geleistet habe, etwa im Sinne des § 42 SGB l. Auch liege kein Fall des § 103 SGB X vor, da der Anspruch auf die Leistung (medizinische Reha) nicht entfallen sei, sondern lediglich ein Zuständigkeitswechsel stattgefunden habe (vgl. BSG a. a. O, Rn. 21). Schließlich sei auch § 105 SGB X nicht einschlägig, weil die Klägerin aufgrund von § 14 SGB X zuständig geworden sei, dies bleibe und im Übrigen § 14 Abs. 4 SGB IX die Anwendung des § 105 SGB X ausschließe.

Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Anspruchs aus § 104 SGB X seien erfüllt, insbesondere habe die Klägerin den Anspruch rechtzeitig angemeldet, § 111 SGB X, besondere Formerfordernisse gölten dafür nicht (Mutschler in jurisPK, 2. Auflage 2017, § 111 SGB X Rn. 22 ff, Stand: 22.5.2020). So bedürfe es keiner Benennung der Rechtsgrundlage, die Frist sei eingehalten.

Die materiellen Voraussetzungen des § 104 SGB X seien erfüllt, wenn - wie hier - der erstangegangene Reha-Träger (der Träger der Rentenversicherung) den Anspruch auf die Reha-Leistung erfülle, nachdem ein Rentenantrag gestellt wurde; denn dadurch werde der Rentenversicherungsträger zwar im Innenverhältnis unzuständig (zuständig werde die gesetzliche Krankenkasse), im Außenverhältnis zum Versicherten bleibe er aber wegen § 14 SGB X zuständi...

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