Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. GdB von 50. Versorgungsmedizinische Grundsätze. Nierenfunktionsstörung. Bezeichnung als "Stadium III". Serumkreatininwert. rheumatologische Erkrankung. sozialgerichtliches Verfahren. internistisches Sachverständigengutachten. Merkzeichen G. erhebliche Gehbehinderung
Orientierungssatz
1. Die alleinige Benennung der Phase einer Nierenfunktionsstörung als “Stadium III„ vermag nach Teil B Nr 12.1.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Anlage zu § 2 VersMedV) keinen höheren GdB als 40 zu begründen, soweit eine schwerwiegende Beeinträchtigung nicht vorliegt und die Serumkreatininwerte auch nicht andauernd zwischen 4 und 8 mg/dl erhöht sind.
2. Ein internistisches Sachverständigengutachten zu einer entzündlich-rheumatologischen Erkrankung ist nicht deshalb unverwertbar, weil es nicht von einem Facharzt für Rheumatologie erstellt worden ist.
3. Zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, der mittlerweile als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt ist, beantragt eine Höherstufung seines GdB sowie die Zuerkennung des Merkzeichens “G„.
Der 1950 geborene Kläger stellte im Jahr 2002 erstmals einen Feststellungsantrag nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) wegen diverser internistischer Gesundheitsstörungen. Das Versorgungsamt der Beklagten holte einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Hausarztes Dr. I. ein, der seinerseits Facharztberichte beifügte. Anschließend befragte das Versorgungsamt seinen Ärztlichen Dienst; Dr. J. empfahl die Feststellung eines GdB von 40 wegen einer Nierenfunktionsstörung, wohingegen sich Herz- und Lungenbeschwerden mit jeweils einem Einzel-GdB von weniger als 10 nicht erhöhend auf die Feststellung auswirkten. Dementsprechend stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19. November 2002 den GdB des Klägers mit 40 fest.
Am 23. Oktober 2008 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag und berief sich auf das Hinzutreten einer chronischen Polyarthritis; neben einer Höherstufung seines GdB beantragte er die Zuerkennung des Merkzeichens “G„. Er fügte einen Bericht des Nuklearmediziners und Radiologen Dr. K. bei, der den Verdacht auf eine chronische Polyarthritis im Mai 2008 geäußert hatte. Ferner äußerte die Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Frau Dr. L. den Verdacht auf eine Polymyalgia rheumatica (PMR). Die Hausärztin Frau Dr. M., die den Kläger seit 2007 behandelte, teilte mit, seit 2000 leide der Kläger unter Vorhofflimmern, seit 2002 unter einer Niereninsuffizienz und ebenfalls seit 2002 unter zunehmenden Gelenk- und Wirbelsäulenschmerzen. Die Beklagte holte einen Befund von Frau Dr. L. ein, die berichtete, sie habe eine schmerzhafte Schwäche der Oberarmmuskulatur mit Belastungseinschränkung der oberen Extremitäten vorgefunden. Sie bestätigte ihre bereits bekannte Diagnose. Ergänzend wurden Röntgenbefunde des Thorax und der Wirbelsäule des Klägers, erstellt durch Dr. N., vorgelegt. Eine Magnetresonanztomographie (MRT) der Halswirbelsäule (HWS) im August 2008 ergab degenerative Veränderungen, aber keinen Hinweis auf einen entzündlichen Prozess.
In einer gutachterlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes nahm Frau Dr. O. als zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung eine “Polymyalgia rheumatica„ mit einem Einzel-GdB von 30 in die Empfehlung auf und empfahl die Feststellung eines GdB von 50 ab dem 23. Oktober 2008, wohingegen für die Vergabe des Merkzeichens “G„ kein Anhalt bestehe, da überwiegend die Armmuskulatur und die Gelenke der oberen Extremitäten betroffen seien. Dementsprechend stellte die Beklagte mit Neufeststellungsbescheid vom 2. Februar 2009 den GdB des Klägers mit 50 ab dem 23. Oktober 2008 neu fest. Der Kläger legte Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2009 zurückwies.
Der Kläger hat am 25. Mai 2009 Klage erhoben. Er hat sich auf einen Entzündungsprozess im linken Hüftgelenk und daraus herrührende Beschwerden beim Gehen berufen. Das Sozialgericht (SG) Bremen hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Frau Dr. M. hat mitgeteilt, der Kläger sei seit August 2008 nicht mehr in ihrer Praxis gewesen. Der Nephrologe Dr. P. hat von einer stabilen Nierenfunktion und einer insoweit unveränderten Situation berichtet. Frau Dr. L. hat in ihrem Befundbericht Schmerzen in beiden Hüften, besonders links, als Beschwerdeschilderung des Klägers wiedergegeben und im Übrigen die bekannten Diagnosen wiederholt; der Kläger leide an einer Polymyalgia rheumatica, einer systemischen Autoimmunerkrankung der Muskulatur. An Frau Dr. M. hat sie berichtet, sie führe eine systemische Corticosteroidtherapie durch, unter der Therapie habe keine signifikante ...