Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilung. Anerkennung einer Praxisbesonderheit im Rahmen qualifikationsgebundener Zusatzvolumen. Teilnahme an der Qualitätssicherungsvereinbarung Akupunktur. strukturelle Besonderheiten der Patientenschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen Qualitätsgebundener Zusatzvolumen (QZV) kommt die Anerkennung einer Praxisbesonderheit nur in Betracht, wenn der Arzt darlegt und belegt, dass seine Patientenschaft durch strukturelle Besonderheiten im Vergleich zu derjenigen seiner Fachkollegen mit gleichem QZV geprägt ist und dass dies einen deutlich überdurchschnittlichen Bedarf bei den von diesem Budget erfassten Leistungen ergibt.

 

Orientierungssatz

1. Die Teilnahme an der Qualitätssicherungsvereinbarung Akupunktur (Anl 3 BMV-Ä) begründet für sich genommen keine Praxisbesonderheit, weil sie den Ärzten als notwendige Voraussetzung für die Erbringung der Akupunkturleistungen und die Zuweisung des QZV diesen Leistungsbereich erst eröffnet.

2. Zum Leitsatz vgl BSG vom 22.3.2006 - B 6 KA 80/04 R = SozR 4-2500 § 87 Nr 12 (zur entsprechenden Voraussetzung für die Erweiterung eines qualifikationsgebundenen Zusatzbudgets).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.05.2020; Aktenzeichen B 6 KA 10/19 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. April 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 40.000 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Praxisbesonderheit bei der Bemessung eines Qualifikationsgebundenen Zusatzvolumens (QZV).

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) von drei Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie, die an der vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in F. teilnehmen. Die Ärzte haben jeweils die Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung Akupunktur und nehmen an der Qualitätssicherungsvereinbarung zur Akupunktur bei chronisch schmerzkranken Patienten nach § 135 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (≪SGB V≫; Qualitätssicherungsvereinbarung Akupunktur) teil.

Seit dem Quartal III/2010 teilte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) den Ärzten der Klägerin das für sie berechnete QZV Akupunktur (neben dem Regelleistungsvolumen ≪RLV≫ und weiteren QZV) vor jedem Abrechnungsquartal in „Amtlichen Mitteilungen“ mit. Dieses QZV umfasst die Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) 30790 und 30791 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM), die bis zum Quartal II/2010 als sogenannte freie Leistungen außerhalb des RLV vergütet worden waren.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2010 beantragte die Klägerin die Anerkennung der Erbringung und Abrechnung von Akupunkturleistungen als Praxisbesonderheit. Sie habe seit vielen Jahren einen Schwerpunkt im Bereich dieser Leistungen; im Vergleich zu anderen orthopädischen Praxen seien die Fallzahlen und das dafür zur Abrechnung gebrachte Honorarvolumen über Jahre konstant hoch gewesen. Aus der Mitteilung des QZV für das Quartal III/2010 ergebe sich für den Leistungsbereich Akupunktur ein Honorarrückgang um mehr als 60 %. Dadurch werde die klägerische Schwerpunktpraxis im Vergleich zu anderen orthopädischen Praxen, die Akupunkturleistungen nicht über einen längeren Zeitraum in derselben Größenordnung durchgeführt hätten, erheblich benachteiligt.

Mit Bescheid vom 17. August 2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung der Akupunkturleistungen als Praxisbesonderheit ab. Durch die Bildung von QZV für verschiedene Leistungsbereiche werde der Differenzierung des Leistungsangebots der einzelnen Ärzte Rechnung getragen. Damit bilde das QZV Akupunktur auf Basis der Leistungsfallzahl den Leistungsbedarf des einzelnen Arztes sachgerecht ab. Während die Leistungsfallzahl der Arztgruppe bei 120,79 liege, seien bei der Klägerin 362 Leistungsfälle zu berücksichtigen. Damit erhalte die Klägerin ein QZV, das weit über dem der Arztgruppe liege.

Die Klägerin erhob Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung und führte dazu an, dass die Gewährung eines QZV nicht die Anerkennung einer Praxisbesonderheit ausschließe. Dass die Klägerin ihre Praxis seit Jahren in besonderer Weise auf Akupunkturbehandlungen ausgerichtet habe, zeige sich schon an der im Vergleich zur verfeinerten Vergleichsgruppe deutlich höheren Abrechnungshäufigkeit. Es sei nicht Aufgabe von RLV und QZV, die aufgrund einer besonderen Qualifikation der Ärzte über Jahre gewachsene Behandlungsausrichtung einer Praxis auf ein Durchschnittsniveau zu kappen.

Nachdem im Laufe des Widerspruchsverfahrens der Honorarbescheid für das Quartal III/2010 erteilt worden war - gegen den die Klägerin Widerspruch und anschließend Klage erhoben hat, die beim Sozialgericht (SG) Hannover noch anhängig und derzeit ruhend gestellt ist -, bewilligte die Beklagte auf Antrag der Klägerin für dieses Quartal eine Ausgleichszahlung zum Ausgleich von üb...

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