Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Auslandsbehandlung. selbstbeschaffter Zahnersatz in Polen. Kostenerstattungsanspruch setzt vorherige Prüfung und Genehmigung eines Heil- und Kostenplans durch Krankenkasse voraus. kein Widerspruch zu der EU-rechtlichen Dienstleistungsfreiheit
Orientierungssatz
1. Für die Inanspruchnahme von grenzüberschreitenden zahnprothetischen Behandlungen im EU-Ausland muss der Krankenkasse die Möglichkeit gegeben werden, die vorgesehene Versorgung mit Zahnersatz vorab auf ihre Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen und ggf begutachten zu lassen, um auf diesem Weg die Inanspruchnahme der in aller Regel mit hohen Kosten verbundenen Zahnersatzleistungen steuern zu können (vgl LSG Stuttgart vom 17.9.2008 - L 4 KR 5472/07).
2. Das Erfordernis der Vorlage eines Heil- und Kostenplans zur Genehmigung auch bei einer Behandlung im Ausland innerhalb der EU steht nicht im Widerspruch zu der durch Art 49 EG gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit (vgl BSG vom 30.6.2009 - B 1 KR 19/08 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 21 RdNr 24).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 15. März 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine in Polen vorgenommene Zahnersatzbehandlung.
Die am 9. April 1981 geborene Klägerin beantragte die Übernahme der Kosten für eine prothetische Behandlung des Ober- und Unterkiefers in Höhe von voraussichtlichen Gesamtkosten von 4986,85 Euro unter Vorlage eines Heil- und Kostenplans des Zahnarztes Dr. E., F., vom 4. Oktober 2012 (Blatt 1 bis 6 Verwaltungsakte [VA]).
Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 20. März 2013 (Blatt 9 Gerichtsakte [GA]) die Übernahme der Kosten bis zum doppelten Festzuschuss in Höhe von 3553,32 Euro.
Die Klägerin ließ die Behandlung im Juni 2013 in Polen durchführen und beantragte anschließend bei der Beklagten die Erstattung der Kosten. Laut Rechnung der polnischen Zahnärztin Dr. G. vom 26. Juni 2013 (Blatt 7 VA) beliefen sich die Kosten für das zahnärztliche Honorar auf 6586 zl und für Material- und Laborkosten auf 7508 zl, insgesamt 14094 zl (= 3254,60 Euro).
Die Beklagte holte daraufhin eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), Zahnarzt Dr. H., vom 8. August 2013 ein (Blatt 13 VA). Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die am Unterkiefer durchgeführten Arbeiten nicht mängelfrei seien. Aufgrund der erheblichen Spannweiten beider Brücken und der völlig mangelhaften okklusalen Kontaktsituation sei nicht mit einem langfristigen Erfolg der Sanierung zu rechnen. Die eingesetzte festsitzende Brückenversorgung entspreche nicht den in Deutschland geltenden Qualitäts- und Konstruktionskriterien.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheid vom 12. August 2013 (Blatt 15 VA) mit, dass unter Berücksichtigung des doppelten Festzuschusses ein Erstattungsbetrag abzüglich des Abschlages für Verwaltungskosten und Wirtschaftlichkeitsprüfung (40,- Euro) von 1669,40 Euro für die Versorgung im Oberkiefer übernommen werde. Die Versorgung im Unterkiefer könne nicht bezuschusst werden, da sie nicht den in Deutschland geltenden Qualitäts- und Konstruktionskriterien entspreche.
Hiergegen legte die Klägerin unter dem 26. August 2013 (Blatt 17 VA) Widerspruch ein: Die Versorgung sei nach dem in Deutschland erstellten Heil- und Kostenplan erfolgt. Die Praxis in Polen übernehme für die nächsten zwei Jahre auch die entsprechende Garantie.
Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK, Dr I., vom 24. September 2013 (Blatt 19 VA) ein, der ebenfalls zum Ergebnis gelangte, dass die in Polen durchgeführte Behandlung nicht lege artis erfolgt sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2014 (Blatt 39 VA) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Anspruch auf Erstattung bestehe höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung habe das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Nach § 12 Abs. 3 der Satzung der Beklagten würden Versicherten die Kosten von Leistungen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) in Anspruch genommen würden, nach Maßgabe des § 13 Abs. 4 bis 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erstattet, wenn die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung im Inland erfüllt seien. Nach § 12 Abs. 4 der Satzung würden Versicherten unter Berücksichtigung eines Abschlags für Verwaltungskosten die Kosten bis zu der Höhe erstattet, die bei Inanspruchnahme als Sach- oder Dienstleistung entstanden wären, höchstens bis zur Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten. Weitere Voraussetzung sei, dass die Versorgung den hierzulande geltenden Qualitäts- und Konstruktionskriterien entspreche. Dies sei nach den Gutachten des MDK nicht der Fall, so dass die Kosten f...