Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. Beschwerdeausschuss. Teilnahme der Mitglieder an Beratung und Beschlussfassung trotz Stimmverzichts. Vergleichsgruppenbildung und Praxisbesonderheit bei homöopathischer Behandlungsausrichtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der von einzelnen Mitgliedern des Beschwerdeausschusses erklärte "Verzicht auf das Stimmrecht" ist als Stimmenthaltung auszulegen, die regelmäßig - auch ohne weitere Begründung - zulässig ist und nicht dazu führt, dass diese Mitglieder an der Beratung des Ausschusses nicht mehr teilnehmen können.

2. Ein besonderer Bedarf an Gesprächsleistungen, der sich in Hinblick auf die Erstanamnese bei homöopathischer Behandlungsausrichtung ergibt, kann weder bei der Vergleichsgruppenbildung noch als Praxisbesonderheit berücksichtigt werden.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 10. Juni 2003 in der Kostenentscheidung abgeändert.

Die Klägerin hat die erstinstanzlichen Kosten des Beklagten zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Berufung der Klägerin wird im Übrigen zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beklagten auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in den Quartalen I und III/96.

Sie ist als Kinderärztin mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie niedergelassen und nahm bis zum 31. Dezember 1997 an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 29. Januar 1997 kürzte der bei der Bezirksstelle F. der Beigeladenen zu 1.) eingerichtete Prüfungsausschuss ihr Honorar für Beratungs- und Betreuungsleistungen im Quartal III/96 um 19,958 %. Bei 850 abgerechneten Fällen hatte die Klägerin in dieser Sparte einen durchschnittlichen Fallwert von 147,1 Punkten angefordert, der den entsprechenden Durchschnittswert der Vergleichsgruppe - 370 Kinderärzte in Niedersachsen - von 58,9 Punkten um 149,6 % überschritt. Zur näheren Begründung wies der Prüfungsausschuss u. a. auf die Abrechnungshäufigkeit der Nr 19 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) hin.

Hiergegen legte die Klägerin am 5. Februar 1997 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie darauf hinwies, dass sie insgesamt im Honorar nicht über der Vergleichsgruppe liege sowie bei Klinikeinweisungen und -tagen, Medikamenten und anderen Verordnungen deutlich unter dem Schnitt liege. Weiterhin wies sie auf ihre homöopathische Behandlungsausrichtung hin. Da es keine homöopathischen Ziffern innerhalb des EBM gebe, den Kinderärzten die Abrechnung der psychiatrischen Ziffern verwehrt sei und sie die homöopathischen Erstanamnesen mit insgesamt mehrstündigem Aufwand nicht privat abrechnen dürfe, sei ihr nichts anderes übrig geblieben, als das ein oder andere über die Ziffer 10 abzurechnen.

Mit weiterem Bescheid vom 22. Dezember 1998 kürzte der Prüfungsausschuss das Honorar für die EBM-Nr 10 für das Quartal I/96 um 33,729 %. In der Bescheidbegründung wurde angeführt, dass die Klägerin bei 863 abgerechneten Fällen die Ziffer 10 in einer Häufigkeit angesetzt hatte, die um 126,3 % über der der niedersächsischen Kinderärzte lag.

Zur Begründung ihres hiergegen am 5. Januar 1999 eingelegten Widerspruchs berief sich die Klägerin weitgehend auf ihre bereits zum Quartal III/96 vorgebrachten Einwände.

Mit Bescheid vom 21. August 2000 gab der Beklagte dem Widerspruch der Klägerin zum Quartal I/96 teilweise statt und wandelte die Kürzung des Honorars der EBM-Nr 10 in eine Kürzung des Honorars für Beratungs- und Betreuungsleistungen um, die auf 15,45 % reduziert wurde. Den Gesamtfallwert der Vergleichsgruppe habe sie um 7,6 % überschritten, den Fallwert der Gesamtsparte Beratungs- und Betreuungsleistungen um 78,7 %. Von der Klägerin geltend gemachte Einsparungen bei den Verordnungen seien nicht anzuerkennen, da sie einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Einsparungen und dem beanstandeten Mehraufwand nicht habe substantiiert darlegen können. Eine kurze Durchsicht der Behandlungsfälle habe bei der EBM-Nr 10 ergeben, dass in 15 % der angeblätterten Fälle weder ein komplexes Krankheitsbild noch eine Verhaltensstörung oder ein Suchtproblem in der Diagnose ersichtlich sei. Im Hinblick auf den Ansatz der EBM-Nr 19 seien in fast 2/3 der angeblätterten Fälle keine der hiermit in Zusammenhang stehenden Diagnosen angegeben worden.

Mit weiterem Bescheid vom 21. August 2000 wies der Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des Quartals III/96 zurück und bestätigte die vom Prüfungsausschuss vorgenommene Kürzung. Der auf das gesamte Behandlungsverhalten bezogene Fallkostendurchschnitt lag in diesem Quartal bei 1.117,4 Punkten (gegenüber dem Durchschnitt der Arztgruppe von 1.197,8 Punkten). Die Überschreitung bei Beratungs- und Betreuungsleistungen lag bei 149,6 %. Auch hier verwies der Beklagte darauf, dass kompensationsfähige Einsparungen nicht dargelegt wo...

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