Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenhausvergütung. Abrechenbarkeit der DRG G64A. Hauptdiagnose K 51.3. Nebendiagnose N 17.9
Orientierungssatz
Ein Krankenhaus ist zur Abrechnung des stationären Aufenthalts eines Versicherten mit der DRG G64A berechtigt, wenn neben der Hauptdiagnose K 51.3 (Ulzeröse (chronische) Rektosigmoiditis) jedenfalls - auch - die Nebendiagnose N 17.9 (Akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet) zu berücksichtigen war.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.027,28 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anwendung zweier unterschiedlich zu vergütender Diagnosis Related Groups (DRG) nach dem Fallpauschalenkatalog 2008.
Die klagende Gesellschaft betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus, in dem die bei der Beklagten versicherte I. (geb. am J.; im Folgenden: Versicherte) in der Zeit vom 23. bis 29.08.2008 behandelt worden ist.
Die Einweisung der Versicherten erfolgte aus dem Pflegeheim ausweislich des Entlassungsberichts des Kreiskrankenhauses (KKH) H. vom 18.02.2009 auf Grund von Diarrhoen seit dem Vortag, zunehmender Verwirrtheit und einer reduzierten Diurese. Laborchemisch fielen stark erhöhte Infektparameter, deutlich erhöhte Retentionsparameter, eine manifeste Hypothyreose und eine Hyperkaliämie auf. Die Infektparameter sanken danach unter antibiotischer Therapie langsam ab. Die Retentionsparameter und die Diurese-Situation normalisierten sich zunehmend unter Volumentherapie und unter Absetzen des ACE-Hemmers und der Diuretika aus der Vormedikation. Bei vorbestehender Niereninsuffizienz bei wahrscheinlich bestehender hypertensiver Nephropathie kam es nicht zu einer vollständigen Normalisierung der Retentionswerte (Creatinin (mg/dl): 23.08.2008 = 3,9; 24.08.2008 = 4,1; 24.08.2008 = 3,2; 27.08.2008 = 1,4; 29.08.2008 = 0,9).
Für die Versorgung beanspruchte die Klägerin aufgrund der Fallpauschale für die DRG G 64 A (entzündliche Darmerkrankung oder andere schwere Erkrankungen der Verdauungsorgane, mit äußerst schweren CC - Complications and Comorbidities) eine Vergütung in Höhe von 4.041,33 EUR (Rechnung vom 05.02.2009).
Die Beklagte erachtete hingegen nach Einholung von Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 05.08.2009 und 15.02.2010 (jeweils Dr. K.) die DRG G 48 B (Koloskopie mit äußerst schweren oder schweren CC, komplizierendem Eingriff oder Alter (15 Jahre, mit komplizierender Diagnose, ohne schwere Darminfektion, ohne komplizierende Prozeduren, außer bei Zustand nach Organtransplantation) als zutreffend, weil die Entlassungsnebendiagnose N 18.82 (chronische Niereninsuffizienz, Stadium II) nicht zu kodieren sei. Zwar hätten erhöhte Nierenretentionswerte vorgelegen. Diese seien aber im Wesentlichen auf die massive Exsikkose zurückzuführen, die dann auch behandelt worden sei. Eine spezifische Diagnostik und/oder Therapie in Hinblick auf die Nierenfunktionsstörung sei nicht erfolgt. Eine Stadieneinteilung sei ohnehin nicht möglich gewesen. Es seien lediglich Routine-Laboruntersuchungen durchgeführt worden. Die Beklagte erklärte sodann, nach dem die Forderung der Klägerin zunächst erfüllt worden war, die Aufrechnung gegen eine andere - insoweit unstreitige - Vergütungsforderung der Klägerin mit dem sich ergebenen Differenzbetrag in Höhe von 927,28 EUR.
Gegen die am 17.06.2010 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobene Zahlungsklage hat die Beklagte erneut vorgetragen, dass keinerlei spezielle Diagnostik in Bezug auf die Niere stattgefunden habe. Die Infusionsbehandlung wäre auch ohne die Niereninsuffizienz erfolgt. Mithin sei das Patientenmanagement in keinerlei Form von diagnostischen und/oder therapeutischen Maßnahmen in Bezug auf die Niere zusätzlich beeinflusst worden.
Das SG Hannover hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Innere Medizin und Rehabilitationswesen Dr. L. vom 09.09.2010. Der Sachverständige hat zusammenfassend - unter Einbeziehung seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 02.12.2010 - dargelegt, dass die Nebendiagnose N 18.82 kodierfähig sei. Unter einer Exsikkose sei es zu einem deutlichen Anstieg der Retentionswerte als Komplikation gekommen. Daraufhin sei eine Volumensubstitution erfolgt, unter der die Nierenwerte wieder gesunken seien. Deswegen sei das Patientenmanagement in Form von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen zusätzlich beeinflusst worden. Zu beachten sei, dass es zu einem akuten auf chronisches Nierenversagen gekommen sei. Der Peak habe bei 4,1 mg/dl gelegen, nach entsprechender Therapie sei der Creatininwert auf 0,9 mg/dl abgefallen.
Gestützt auf das Ergebnis der Beweisaufnahme hat das SG Hannover die Beklagte mit Urteil vom 03.05.2011 zur Zahlung des mit der Klage geltend gemachten Differenzbetrages in Höhe von 927,28 EUR (nebst 2...