Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Abgrenzung der Einkommens- von der Vermögensberücksichtigung. Erbschaft. Zuflussprinzip. Aufteilung der einmalige Einnahme auf 12-Monats-Zeitraum
Orientierungssatz
Eine Erbschaft ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, welches als einmalige Einnahme nach § 2 Abs 3 AlgIIV aF im Zuflussmonat und den Folgemonaten (hier 12 Monate) zu berücksichtigen ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 04. September 2007 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger beansprucht die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) mit Wirkung ab 01. Juli 2006 bis 31. Mai 2007.
Der im Jahr 1969 geborene unverheiratete Kläger bezieht seit dem 01. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zuletzt bewilligte der Beklagte Leistungen durch Bescheid vom 08. Dezember 2005 mit Wirkung ab 01. Januar bis 30. Juni 2006 in Höhe von 513,00 € monatlich. Im Juni 2006 hinterließ ihm seine verstorbene Großmutter ein Guthaben in Höhe von insgesamt 10.705,31 €. Hiervon wurden 9.000,00 € zu Gunsten eines Lebensversicherungsvertrages des Klägers an die A Lebensversicherungs-AG überwiesen. Der Restbetrag in Höhe von 1.705,31 € wurde dem Girokonto des Klägers gutgeschrieben. Nachdem die Stadt G als zuständiger Leistungsträger dem Kläger mitgeteilt hatte, dass er aufgrund der Erbschaft nicht hilfebedürftig und damit ein Anspruch nach dem SGB II ausgeschlossen sei, widerrief der Kläger den Lebensversicherungsvertrag mit der Folge, dass der Betrag in Höhe von 9.000,00 € an den Kläger Anfang Juni 2006 ausgezahlt wurde.
Durch Bescheid vom 21. Juni 2006 hob die Stadt Göttingen ihren Arbeitslosengeld (Alg) II-Bewilligungsbescheid vom 08. Dezember 2005 mit Wirkung ab 01. bis 30. Juni 2006 gemäß § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nach vorheriger Anhörung auf, weil der Kläger aufgrund der Auszahlung der Lebensversicherungssumme über 10.705,31 € nicht mehr hilfebedürftig sei. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08. August 2006 als unbegründet zurück. Dieser Bescheid ist gemäß § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindend geworden.
Der Kläger hatte zuvor am 08. Juni 2006 die Weiterbewilligung der Leistungen zum 01. Juli 2006 nach Ablauf des vorangegangenen Bewilligungsabschnitts beantragt. Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 21. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. August 2006 unter Hinweis auf die fehlende Hilfebedürftigkeit des Klägers aufgrund der Erbschaft ab. Mit der gleichen Begründung lehnte der Beklagte die Weiterbewilligungsanträge des Klägers vom 03. November 2006 und 05. Januar 2007 ab (Bescheide vom 08. Dezember 2006 und 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2007).
Durch Bescheid vom 29. Mai 2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Wirkung ab 01. Juni 2007 weiter und lehnte zugleich die Weiterbewilligung für den Zeitraum vom 03. bis 31. Mai 2007 ab.
Der Kläger hatte zuvor am 04. September 2006 gegen den Widerspruchsbescheid vom 08. August 2006 Klage zum Aktenzeichen S 43 AS 1064/06 des Sozialgerichts (SG) Hildesheim erhoben. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2007 hat der Kläger zudem am 23. Februar 2007 Klage zum Aktenzeichen S 33 AS 235/07 des SG Hildesheim erhoben.
Nach Verbindung der beiden Klageverfahren durch Beschluss vom 12. Juli 2007 hat das SG Hildesheim diese durch Gerichtsbescheid vom 04. September 2007 abgelehnt. Die am 23. Februar 2007 erhobene Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2007 sei unzulässig, weil die Bescheide vom 08. Dezember 2006 und 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2007 gemäß § 96 SGG Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens geworden seien. Die am 31. August 2006 erhobene Klage sei zulässig, jedoch unbegründet, weil der Kläger in dem streitigen Zeitraum vom 01. Juli 2006 bis 31. Mai 2007 nicht hilfebedürftig gewesen sei und daher keinen Anspruch auf Leistungen habe. Erbschaften seien in Anwendung der sogenannten Zuflusstheorie als Einkommen zu werten, weil der Kläger dies innerhalb des Zahlungszeitraums wertmäßig hinzu erhalten habe. Gegen eine Aufteilung des zugeflossenen Betrages in Höhe von 10.705,31 € über einen Zeitraum von zwölf Monaten gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-VO) beständen keine durchgreifenden Bedenken.
Gegen den am 08. September 2007 zugestellten Gerichtsbescheid führt der Kläger am 28. September 2007 Berufung. Zur Begründung betont er, dass es sich bei der Erbschaft um einen einmaligen Zufluss von Vermögen handele. Der Begriff des Einkommens sei geprägt durch wiederkehrende regelmäßi...