Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. höchstpersönlicher Anspruch auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft. keine rückwirkende GdB-Feststellung nach dem Tod. keine Aktivlegitimation der Erben. sozialgerichtliches Verfahren. keine Kostenfreiheit bei fehlender Sonderrechtsnachfolge

 

Orientierungssatz

1. Eine rückwirkende Feststellung des Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht für einen Verstorbenen ist unzulässig. Es handelt sich um einen höchstpersönlichen Anspruch, der mit dem Tod des Verstorbenen untergegangen ist.

2. Legen dessen Eltern gegen das klagabweisende Urteil Berufung ein, so sind ihnen nach §§ 183 S 2, 197a Abs 1 S 1 SGG und § 154 VwGO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, weil sie nicht Sonderrechtsnachfolger der geltend gemachten Rechte sind. Als Unterlegene haben sie die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Normenkette

SGB I §§ 56, 58-59; SGB IX § 69 Abs. 1 S. 1; SGG § 183 S. 2, § 197a Abs. 1 S. 1; VwGO § 154

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.04.2016; Aktenzeichen B 9 SB 93/15 B)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren um die rückwirkende Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) und von Merkzeichen für den verstorbenen I. (nachstehend der Verstorbene).

Der Verstorbene ist am 22. Januar 1995 geboren worden. Seine Eltern - die jetzigen Kläger - haben für ihn am 26. Oktober 2009 beantragt, die bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen als Behinderung festzustellen. Hierbei waren sie der Auffassung, die Feststellung solle mit dem Zeitpunkt der Geburt beginnen. Bei dem Verstorbenen hatte im Wesentlichen ein Asperger-Autismus vorgelegen.

Das beklagte Land wertete die ihm vorliegenden medizinischen Unterlagen aus und stellte mit Bescheid vom 27. Januar 2010 ab April 2007 einen GdB von 50 fest. Zur Begründung für eine nicht noch weiter in die Vergangenheit reichende Feststellung wies das beklagte Land darauf hin, das Asperger-Syndrom des Verstorbenen sei erst zu diesem Zeitpunkt nachgewiesen worden. Auf den Widerspruch des Verstorbenen erging der Teilabhilfebescheid vom 3. Mai 2010, worin dem Verstorbenen ab April 2007 auch das Merkzeichen “H„ zuerkannt wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2010 zurückgewiesen.

Am 20. Juli 2010 ist Klage erhoben worden. Zu deren Stützung ist der Bericht des Autismus-Zentrums J. vom 31. Januar 2010 vorgelegt worden. Während des laufenden Klageverfahrens haben die Eltern des Verstorbenen im Juli 2010 für diesen einen Neufeststellungsantrag gestellt. Auch insoweit sollte es um die Feststellung eines GdB ab Geburt gehen sowie um die Merkzeichen “G„ und “B„. Das Sozialgericht (SG) Hannover holte einen Befundbericht von dem Kinder- und Jugendarzt K. ein. Hierzu nahm das beklagte Land durch seinen Ärztlichen Dienst (Dr. L.) Stellung. Der vormalige Kläger ist am 13. Mai 2012 an einer Krebserkrankung verstorben. Die nunmehrigen Kläger setzten das Verfahren fort und erstrebten nunmehr nur noch eine Anerkennung des GdB ab dem dritten Lebensjahr.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23. November 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg ausgeführt, die Kläger seien nicht berechtigt, die Ansprüche des Verstorbenen weiter geltend zu machen. Hierbei handele es sich um höchstpersönliche Ansprüche, die mit dem Tod des Verstorbenen untergegangen seien.

Gegen das am 29. November 2012 zugestellte Urteil ist am 23. Dezember 2012 Berufung eingelegt worden. Die Kläger sind der Auffassung, sie seien sehr wohl berechtigt, die Ansprüche ihres Sohnes als Sonderrechtsnachfolger geltend zu machen. Die Erkrankung des Verstorbenen habe auch bereits seit Geburt vorgelegen und daher seien dem Verstorbenen sowohl ein GdB von 50 ab Geburt sowie die Merkzeichen “G„ und “B„ zuzuerkennen.

Die Kläger beantragen nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. November 2012 aufzuheben sowie den Bescheid des beklagten Landes vom 27. Januar 2010 in der Gestalt, die er durch den Teilabhilfebescheid vom 3. Mai 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2010 gefunden hat, zu ändern,

2. das beklagte Land zu verurteilen, bei dem verstorbenen I. ab der Geburt einen GdB von 50 sowie ab Oktober 2009 die Merkzeichen “G„ und “B„ festzustellen.

Das beklagte Land beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung weist es nach wie vor darauf hin, die Kläger seien nicht berechtigt, die Ansprüche des Verstorbenen zu verfolgen. In der Sache hätten die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers aber auch nicht bereits seit Geburt vorgelegen bzw. hätten sich nicht auf seine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausgewirkt.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese Unterlagen ware...

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