Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Krankenkostzulage nach § 30 Abs 5 SGB 12. Streitgegenstand. Anwendung der "Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe". verschiedene Erkrankungen. spezielle Kostform. Vollkost. Regelsatz
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Anspruch auf Krankenkostzulage nach § 30 Abs 5 SGB 12 handelt es sich um einen Einzelanspruch der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und damit um einen eigenständigen Streitgegenstand.
2. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe sind in der 3. völlig neu bearbeiteten Auflage 2008 (wieder) eine tragfähige Beurteilungsgrundlage, und zwar auch für vor der Veröffentlichung liegende Zeiträume (hier von August 2005 bis Juli 2006).
3. Bei Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Hyperurikämie und Hypertonie bedarf es keiner speziellen Kostformen, vielmehr genügt nach aktuellem medizinisch-ernährungswissenschaftlichen Kenntnisstand eine in den "Empfehlungen" näher beschriebene Vollkost.
4. Bei preisbewusster Einkaufsweise ist eine Vollkost mit einem Aufwand zu finanzieren, der von dem Regelsatz gedeckt ist.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28. November 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. Juli 2006 ein Mehrbedarf des Klägers für kostenaufwändige Ernährung gemäß § 30 Abs 5 SGB XII in Höhe von 38,54 € monatlich anzuerkennen ist.
Der am 10. August 1940 geborene Kläger bezog bis zum 9. August 2005 Leistungen nach dem SGB II, wobei ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen eines Diabetes mellitus Typ I anerkannt wurde. Unter Geltendmachung dieses Mehrbedarfs beantragte der Kläger im Juni 2005 bei der für die Beklagten handelnden Landeshauptstadt F. Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab Vollendung seines 65. Lebensjahres. Er legte ua eine Bescheinigung des ihn hausärztlich behandelnden Allgemeinmediziners Dr. G. vom 13. Juli 2005 vor, wonach er an Diabetes mellitus Typ I erkrankt und deshalb eine kostenaufwändige Krankenkost erforderlich sei. Die Landeshauptstadt F. bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 21. Juli 2005 für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. Juli 2006 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII ohne Berücksichtigung des vom Kläger geltend gemachten Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Dagegen erhob der Kläger am 29. Juli 2005 Widerspruch, den er im Wesentlichen damit begründete, er leide bereits sei längerem anerkanntermaßen an Diabetes mellitus Typ I und habe deshalb seit 1992 zunächst vom Sozialamt und anschließend von der ARGE Region F. ununterbrochen einen Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von zuletzt 51,13 € monatlich erhalten.
Der Kläger hat am 8. Januar 2006 bei dem Verwaltungsgericht F. Untätigkeitsklage erhoben, die nach Erlass des Widerspruchsbescheides des Beklagen vom 23. Januar 2006 an das zuständige Sozialgericht Hannover (SG) verwiesen worden ist. Die Beteiligten haben zunächst darüber gestritten, ob für den Kläger ein Mehrbedarf in Höhe von 51,13 € monatlich anzuerkennen ist, weil er wegen seiner Diabetes-mellitus-Erkrankung (wobei der Kläger vom Typ I ausgegangen ist) eine Mehrkosten verursachende Diabetes-Kost benötigt. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der den Kläger behandelnde Allgemeinmediziner Dr. G. hat in seinem Befundbericht vom 30. August 2006 als wesentliche Diagnosen Diabetes mellitus Typ II bei Übergewicht, diabetische Polyneuropathie, Adipositas, Arthrose, Fettleber, Hypertonie, Hyperurikämie sowie Hypercholesterinämie angegeben und - wie auch ergänzend mit Stellungnahme vom 14. September 2006 - eine kostenaufwändigere diätetische Ernährung für notwendig befunden. Der den Kläger am 5. Oktober 2004 behandelnde Internist Dr. H. hat mit Befundbericht aus dem September 2006 die Diagnosen arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II und Hypercholesterinämie mitgeteilt. Die erforderliche Diät zur Behandlung des Diabetes mellitus sowie der Hypercholesterinämie (cholesterinarm, ballaststoffreich, langkettige Kohlehydrate, Vollkornprodukte) verursache sicherlich zusätzliche Kosten. Der Kläger hat im Hinblick auf die eingeholten Befundberichte schließlich lediglich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung aufgrund seiner Erkrankung an Hypercholesterinämie in Höhe von 38,54 € monatlich verlangt.
Mit Urteil vom 28. November 2006 hat das SG die Bescheide der Landeshauptstadt F. vom 21. Juli 2005 und 1. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 23. Januar 2006 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem ...