Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeldrecht. Versäumung der dreimonatigen Antragsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Glaubhaftmachung der unverschuldeten Versäumnis. Zweifel am Vortrag zur Absendung eines früheren Elterngeldantrags. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren
Orientierungssatz
1. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einhaltung der dreimonatigen Antragsfrist für den Bezug von Elterngeld kommt nicht in Betracht, wenn eine unverschuldete Versäumung der Antragsfrist nicht glaubhaft gemacht worden ist.
2. Eine fehlende Glaubhaftmachung liegt auch vor, wenn zwar die einzelnen Zweifelspunkte (hier zur behaupteten Absendung eines früheren Elterngeldantrags) für sich genommen als überwindbar erscheinen, der Vortrag des Klägers aber aufgrund der Vielzahl an Zweifeln und Ungereimtheiten in der Gesamtbetrachtung nicht mehr als wahrscheinlich angesehen werden kann.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt für weitere Zeiträume Elterngeld für die Betreuung ihrer 2009 geborenen Tochter I.
Die 1966 geborene Klägerin hat BWL studiert. Anschließend legte sie die Prüfung zur Steuerberaterin ab. In der Folgezeit war sie von 1995 bis 2008 vollzeitig als angestellte Steuerberaterin tätig. Ab Oktober 2002 hat sie im Rahmen dieser Tätigkeit auch die Aufgabe einer Mitgeschäftsführerin der Steuerberatungsgesellschaft wahrgenommen.
Der Ehemann der Klägerin, der Zeuge J., arbeitet als Geschäftsführer in K. und verfügt dort auch über eine Zweizimmerwohnung. Im Jahr 2009 hat er während der Arbeitstage in K. gearbeitet und gewohnt, wohingegen die Klägerin mit ihrer Tochter in L. gelebt hat. Die Wochenenden haben die Eheleute gemeinsam, und zwar überwiegend in L., verbracht.
Ende Dezember 2009 füllte die Klägerin einen Elterngeldantrag aus, den sie auf das Datum 30. März 2009 zurückdatierte. Diesen Antrag warf sie am Abend des 30. oder 31. Dezember 2009 in den Briefkasten der Elterngeldstelle der Beklagten am M. in L. ein.
Bei einer Vorsprache bei der Beklagten am 31. August 2010 erläuterte die Klägerin, dass sie bereits kurz nach der Geburt einen Antrag auf dem Postwege abgesandt habe. Da ihre Tochter nachfolgend erkrankt sei und da sie auch sonst irgendwie keine Ruhe bekommen habe, habe sie die Angelegenheit zunächst vergessen.
Mit Bescheid vom 1. September 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Elterngeld lediglich für den Zeitraum vom 19. September 2009 bis zum 18. März 2010, d.h. für den 9. bis 14. Lebensmonat des Kindes in Höhe des in Betracht kommenden Höchstbetrages von monatlich 1.800 €. Für die vorausgegangenen Monate lehnte sie eine Gewährung von Elterngeld hingegen mit der Begründung ab, dass Elterngeld nach § 7 Abs. 1 BEEG rückwirkend nur für die letzten drei Bezugsmonate vor Beginn des Antragseinganges gewährt werden könne.
Hiergegen hat die Klägerin am 01. Oktober 2010 Widerspruch eingelegt. Diesen hat sie im November 2010 dahingehend begründet, dass ihr Schwager N. den Antrag am 3. April 2010 um 17 Uhr in den Briefkasten des Postamts O. 20 in L. eingeworfen habe. Nachfolgend wurde dieser Vortrag dahingehend berichtigt, dass nicht der Schwager, sondern ihr Ehemann den Brief eingeworfen habe.
Mit Bescheid vom 15. April 2011 wies die Beklagte diesen Widerspruch zurück. Die Klägerin habe für die ersten acht Lebensmonate des Kindes die Antragsfrist versäumt. Insoweit könne ihr auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Es sei schon ungewöhnlich, dass sich ein Bürger nach mehr als 18 Monaten noch an die genaue Uhrzeit eines alltäglichen Vorganges wie das Einwerfen eines Briefes erinnern können solle. Auch verwundere es, dass sich die Klägerin nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt nach dem Stand der Bearbeitung ihres angeblich im April 2009 abgesandten Antrages erkundigt habe.
Zur Begründung der am 17. Mai 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin insbesondere geltend gemacht, dass sie über eine fehlende Rückmeldung von Seiten der Beklagten nach der Absendung des Antrages im April 2009 zunächst überhaupt nicht nachgedacht habe. Das Geld sei ohnehin nicht für den laufenden Lebensunterhalt, sondern für ein sog. “Notfallkonto„ vorgesehen gewesen, um für eventuelle Notfälle gewappnet zu sein oder um später das Geld dem Kind zuwenden zu können.
Sie habe im Dezember 2009 bei der Beklagten nachgefragt, nachdem ihr im Zuge der Zusammenstellung der Einkommensteuerunterlagen für das Jahr 2009 das Fehlen eines Bewilligungsbescheides aufgefallen sei. Sie habe daraufhin Ende Dezember 2009 anhand der bei ihr verbliebenen Kopie des ursprünglichen Anfang April 2009 zur Post gegebenen Antrages ein neues Antragsformular mit dem Datum 30.03.2009 ausgefüllt und in den Briefkasten der Elterngeldstelle eingeworfen.
Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Klägerin und Vernehmung ihres Ehemanns als Zeugen mit Urteil vom 30. August 2...