Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. stationäre Unterbringung. Heranziehung zu den Kosten des in der Einrichtung erbrachten Lebensunterhalts. Einkommenseinsatz. Kindergeld
Orientierungssatz
§ 82 Abs 1 S 3 SGB 12 ist dahingehend auszulegen, dass das Kindergeld dem minderjährigen Kind nur dann als Einkommen zuzurechnen ist, wenn das Kind mit seinen Eltern oder einem Elternteil eine Einsatzgemeinschaft iS des § 27 Abs 2 S 3 SGB 12 bildet, also ihrem Haushalt angehört.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 14. August 2013 aufgehoben. Der Bescheid des Beklagten vom 21. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2012 wird aufgehoben, soweit von der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 2012 ein über den Betrag von 103,00 EUR und für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2013 ein über den Betrag von 105,00 EUR hinausgehender monatlicher Kostenbeitrag gefordert wird.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Klage- und Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Kostenbeitragsbescheids nach § 92 SGB XII für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis 31. Juli 2013.
Die 1995 geborene Klägerin ist geistig behindert. Bei ihr besteht eine Chromosomenanomalie in Form einer partiellen Trisomie 2 q, mit der multiple Fehlbildungen (u.a. der ableitenden Harnwege) und ein schwerer Entwicklungsrückstand (insb. in psychomotorischen Fähigkeiten und Sprachkenntnissen bei Schallleitungs- und Innenohrschwerhörigkeit) einhergehen. Sie bedarf in allen Lebensbereichen umfassender Hilfen und Unterstützung. Vor der Aufnahme in dem Kinder- und Jugendhaus F. am 10. April 2012 lebte sie im Haushalt ihrer allein erziehenden Mutter und erhielt von ihrem Vater bis einschließlich April 2012 Unterhalt in monatlicher Höhe von 360,00 €, der von der Beistandsstelle des Jugendamts eingezogen und an ihre Mutter ausgezahlt wurde. Ihre Mutter bezog zusätzlich für die Klägerin Kindergeld i.H.v. 184,00 € je Monat. Die Klägerin ist vermögenslos. Vor und nach der Aufnahme in dem Wohnheim besuchte die Klägerin mit Einverständnis der zuständigen Schulbehörde eine staatlich anerkannte Tagesbildungsstätte in G.
Mit Kostenanerkenntnis vom 2. April 2012 übernahm der beklagte Landkreis die Kosten für den Aufenthalt in dem Kinder- und Jugendhaus H. für die Zeit ab 10. April 2012 und gewährte der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt, insb. einen Barbetrag von 52,50 € je Monat, und Leistungen der Eingliederungshilfe ohne Anrechnung von Einkommen oder Vermögen (sog. Bruttoprinzip).
Nachdem die Oberfinanzdirektion Niedersachsen die Abzweigung des Kindergelds auf den Beklagten wegen der von der Mutter glaubhaft gemachten zweckentsprechenden Verwendung der Leistung abgelehnt hatte, setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für die Zeit ab 10. April 2012 einen Kostenbeitrag von 287,00 € monatlich bzw. für April 2012 anteilig von 200,90 € fest, der sich (allein) auf die Kosten des Lebensunterhalts bezog (Bescheid vom 21. Juni 2012). Wegen der Vollendung des 18. Lebensjahres durch die Klägerin macht der Beklagte diesen Kostenbeitrag nur befristet bis zum 31. Juli 2013 geltend (vgl. Schreiben des Beklagten vom 20. August 2013 an die Eltern der Klägerin). In der Begründung des Ausgangsbescheids heißt es, dass ein Betrag von 103,00 € je Monat von dem Vater der Klägerin aufgrund seiner Unterhaltsverpflichtung direkt an den Beklagten geleistet werde. Dieser Forderung des Beklagten kam der Vater der Klägerin nach, für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2013 mit der Maßgabe, dass sich die Unterhaltszahlungen auf 105,00 € je Monat erhöhten. Das Kindergeld in Höhe von 184,00 € müsse - so die Begründung im Ausgangsbescheid - ab Mai 2012 direkt von der Mutter der Klägerin an den Beklagten entrichtet werden. Den Widerspruch der Klägerin, der sich allein gegen die Anrechnung des Kindergelds als Einkommen richtete, wies der Beklagte in der Sache zurück (Widerspruchsbescheid vom 28. November 2012).
Die hiergegen am 20. Dezember 2012 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Oldenburg durch Urteil vom 14. August 2013 mit der Begründung abgewiesen, die Zuordnung des Kindergelds als Einkommen des minderjährigen Kindes ergebe sich aus § 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Diese Vorschrift differenziere nicht danach, ob das Kind im gemeinsamen Haushalt des kindergeldberechtigten Elternteils lebe oder nicht.
Gegen diese am 28. August 2013 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 24. September 2013 eingelegte Berufung der Klägerin, die sich weiterhin (nur) gegen die Berücksichtigung des ihrer Mutter gezahlten Kindergelds als Einkommen wehrt und die Klage auf den Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 31. Juli 2013 beschränkt hat (Schriftsatz vom 15. März 2017). Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Kindergeld nach Sinn und Zweck des § 82 Abs. 1...