Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Versicherungspflicht. für mehrere Auftraggeber tätiger selbstständiger Lehrer. Selbstständiger. Ungleichbehandlung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Zur Rentenversicherungspflicht einer selbstständigen Lehrerin, die für mehrere Auftraggeber tätig ist.
2. Die (andauernde) Einbeziehung der selbstständigen Lehrer beruht auf berufsgruppenspezifischen Merkmalen. Dem hingegen erfolgte die Erweiterung des Versichertenkreises der Selbstständigen um bzw in § 2 S 1 Nr 9 SGB 6, weil die dort genannten Selbstständigen, die im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, aufgrund ihrer von einem Auftraggeber abhängigen Unternehmensstellung schutzwürdig erschienen (bzw sind). § 2 S 1 Nr 9 SGB 6 greift deshalb nicht an ein berufsgruppenspezifisches, sondern an ein Merkmal der unternehmerischen Stellung an.
3. Nach den gesetzlichen Tatbeständen des § 2 S 1 Nr 1 SGB 6 einerseits und § 2 S 1 Nr 9 SGB 6 andererseits findet eine Ungleichbehandlung von für mehrere Auftraggeber tätigen selbstständigen Lehrern und für mehrere Auftraggeber tätigen sonstigen Selbstständigen dadurch statt, dass (allein) die selbstständigen Lehrer versicherungspflichtig sind. Die diese Ungleichbehandlung von für mehrere Auftraggeber tätigen selbstständigen Lehrern einerseits und von sonstigen Selbstständigen andererseits maßgeblichen Gründe sind von ausreichendem Gewicht, um die verbleibende Ungleichbehandlung zu rechtfertigen, dh eine Verfassungswidrigkeit innerhalb der bzw zwischen den Versicherungstatbeständen des § 2 S 1 Nr 1 und Nr 9 SGB 6 ist nicht festzustellen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Klägerin als selbständige Lehrerin in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die im Jahre 1955 in Spanien geborene Klägerin (spanische Staatsangehörige) ist selbständige Lehrerin für das Fach Spanisch. Den Unterricht erteilt sie seit mehreren Jahren - zum Teil seit 1980 - für verschiedene Auftraggeber (Volkshochschule H; Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie = L Akademie; Bildungsverein e.V.) auf der Grundlage jeweils geschlossener Honorarverträge. Sie beschäftigt keine Arbeitnehmer. In den Jahren 1997 bis 2001 erzielte sie Jahresgesamteinkünfte aus allen Honorarverträgen von jeweils ca. 20.000 DM.
Nach einer Betriebsprüfung durch die Landesversicherungsanstalt (LVA) H bei der Volkshochschule (VHS) H prüfte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin nach dem Pflichtversicherungstatbestand des § 2 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI): selbstständige Lehrerin ohne Beschäftigung von versicherungspflichtigen Arbeitnehmern. Dazu hörte sie die Klägerin an und belehrte sie über die Befreiungsmöglichkeiten bei bisheriger Unkenntnis der Versicherungspflicht und anderweitiger Altersvorsorge nach § 231 Abs. 6 SGB VI. Die Klägerin gab an, keine anderweitige Altersvorsorge getroffen zu haben und deshalb einen Befreiungsantrag nicht mit Erfolg stellen zu können. Jedoch vertrat sie die Auffassung, von vornherein nicht der Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu unterfallen. Denn die Vorschrift sei verfassungswidrig. Die Verfassungswidrigkeit ergebe sich aus einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), weil eine Ungleichbehandlung der Versicherten nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI einerseits und § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI andererseits bestehe. Denn zwar sollten nach der gesetzgeberischen Intention beide Vorschriften nach ihrem Sinn und Zweck die Versicherungspflicht für solche Selbstständige begründen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit sozial schutzbedürftig sind. Und diese wirtschaftliche Abhängigkeit ergebe sich daraus, dass der Selbstständige nur für einen Auftraggeber tätig sei. Diese Abhängigkeit von nur einem Auftrag habe der Gesetzgeber jedoch allein in dem erst später, nämlich zum 1. Januar 1999, in Kraft getretenen § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI als Tatbestandsmerkmal normiert. Eine entsprechende Ergänzung der wesentlich älteren Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI habe er jedoch nicht vorgenommen. Vermutlich habe der Gesetzgeber den durch § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI auftretenden Wertungswiderspruch nicht bemerkt. Dieser Wertungswiderspruch werde an konkreten Beispielen deutlich. So sei es nicht mit den von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gestellten Anforderungen an ausreichende sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung zu vereinbaren, wenn zwar z.B. ein EDV-Systembetreuer, der für verschiedene Auftraggeber tätig sei, versicherungsfrei, jedoch ein Lehrer, der in denselben verschiedenen Betrieben wie der EDV-Systembetreuer EDV-Unterricht erteile, versicherungspflichtig sei. Entsprechendes gelte auch für zahlreiche andere Berufsgruppen. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB ...