Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch- Nichterfüllung der Anwartschaftszeit. Versicherungspflicht bei der Erziehung von Zwillingskindern. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
Der dreijährige Zeitraum der Versicherungspflicht gem § 26 Abs 2a SGB 3 bei Erziehung eines Kindes verlängert sich bei der Erziehung von Zwillingen auch unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts nicht auf sechs Jahre.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 6. Januar 2015 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für die Zeit ab dem 11. Oktober 2013.
Die 1974 geborene Klägerin war von Oktober 2004 bis zum 24. Juli 2007 als angestellte Pharmareferentin versicherungspflichtig tätig. Ab dem 25. Juli 2007 bezog sie Krankengeld. Sie wurde am 14. September 2007 Mutter von Zwillingen. In der Zeit vom 31. August 2007 bis
4. Januar 2008 bezog sie Mutterschaftsgeld für ihre beiden Töchter.
Die Klägerin meldete sich am 11. Oktober 2013 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. November 2013 ab, da die Klägerin in den letzten zwei Jahren vor dem 11. Oktober 2013 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen sei und deswegen die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Die Eltern- zeit gelte nur für die ersten drei Lebensjahre des Kindes bzw. der Zwillingskinder als versicherungspflichtig. Das sei im Fall der Klägerin nur die Zeit bis zum 13. September 2010.
Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2013 als unbegründet zurück. Es sei für beide Kinder nur eine Erziehungszeit von insgesamt drei Jahren zu berücksichtigen. Die Versicherungspflicht ende mit dem dritten Geburtstag des jüngsten Kindes, auch wenn Kinder zumindest zeitgleich erzogen würden. Eine Addition mehrerer durch die Geburt eines jeden Kindes begründeter Dreijahreszeiträume finde nicht statt.
Die Klägerin hat dagegen am 27. Dezember 2013 Klage beim Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben, ohne ihre Klage zu begründen. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 6. Januar 2015 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unbegründet, da die Klägerin mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Die Versicherungspflicht der Klägerin habe am 12. September 2010, dem Tag vor Vollendung des dritten Lebensjahres der Kinder, geendet und damit lange vor der am 10. Oktober 2011 beginnenden Rahmenfrist gem. § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Die Zeit der sonstigen Versicherungspflicht verlängere sich auch nicht, wenn - wie im Fall der Klägerin - mehrere unter dreijährige Kinder gleichzeitig erzogen werden. Der Gesetzgeber sei nicht gezwungen, jeden höheren Betreuungsaufwand zu berücksichtigen. Die Kammer folge insoweit der Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen im Beschluss vom 1. November 2010 (Az. L 12 AL 94/09), wonach sich bei Mehrlingsgeburten der dreijährige Zeitraum der Versicherungspflicht bei Erziehung eines Kindes nicht verlängere.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 12. Januar 2015 zugestellten Gerichtsbescheid am 12. Februar 2015 Berufung eingelegt und verfolgt ihr Begehren weiter. Sie macht zur Begründung im Wesentlichen geltend:
Die versicherungspflichtige Elternzeit sei entsprechend der neueren Regelungen im Bundes- elterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zu verlängern, da sie nicht nur ein Kind, sondern in derselben Zeit zwei Kinder erzogen habe. Die besonderen Herausforderungen, die bei Zwillingen in der Versorgung, Betreuung und Erziehung gegenüber Einlingen bestünden, seien zu berücksichtigen. Die Regelung in § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III verletze den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Während in § 56 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Mehrlingsgeburten speziell geregelt seien, fehle eine entsprechende begünstigende Regelung im SGB III. Eine unterschiedliche Behandlung desselben Sachverhaltes sei nicht gerechtfertigt, da keine Unterschiede ersichtlich seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Hildesheim vom 6. Januar 2015 und des Bescheides vom 13. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2013 zu verurteilen, ihr ab dem 11. Oktober 2013 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann gem. § 124 Abs. 2 Sozialgeri...