Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vorliegen einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Hilfsmittel. Lichtklingelanlage. Behinderungsausgleich. Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens (hier: Kommunikation und selbständiges Wohnen
Orientierungssatz
Eine Lichtklingelanlage ist zum Behinderungsausgleich einer an hochgradiger Schwerhörigkeit leidenden Versicherten im Hinblick auf das Ziel einer möglichst selbstbestimmten Lebensführung erforderlich und somit als notwendiges Hilfsmittel iS von § 33 Abs 1 S 1 SGB 5 anzusehen.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 31. Mai 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 27. Dezember 2005 und 27. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2006 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für die Lichtsignalanlage gemäß Kostenvoranschlag der Firma Hörgeräte K. vom 22. Dezember 2005 zu übernehmen.
Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für eine Lichtsignalanlage.
Die am 3. Februar 1963 geborene Klägerin leidet an einer hochgradigen, an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit bds. Eine ausreichende Wahrnehmung akustischer Signale ist nach Auskunft des behandelnde Facharztes für Hals-Nasen-Ohren (HNO)- Heilkunde Dr. K., L., trotz der Versorgung mit Hörgeräten nicht möglich.
Dr. K. verordnete der Klägerin am 29. Dezember 2005 eine Lichtsignalanlage. Die Klägerin legte der Beklagten einen Kostenvoranschlag der Firma M. -Hörgeräte, N., vom 22. Dezember 2005 vor. Darin sind folgende Artikel aufgeführt:
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TAE-Dreifachadapter |
13,50 € |
Türklingelkabel galvanisch, 10 Meter |
9,20 € |
lisa time (Universalwecker) |
212,00 € |
Kombisender galvanisch |
156,00 € |
Telefonkabel galvanisch, 10 Meter |
7,30 € |
Vibrationskissen (inkl. 3 Mignon Batterien) |
34,00 € |
3 Blitzlampe Standard |
348,00 € |
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Gesamtpreis |
780,-- € -. |
Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme für die Lichtsignalanlage mit Bescheid vom 27. Dezember 2005 ab, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) technische Hilfen, die der Anpassung des individuellen Umfeldes an die Bedürfnisse der Behinderten dienten, keine Hilfsmittel im Sinne des § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien. Bei dem beantragten Signalruf handele es sich um eine technische Hilfe zur Anpassung des Wohnumfeldes und nicht um ein Hilfsmittel der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und zwei Stellungnahmen der Firma M. -Hörsysteme vor. Mit Bescheid vom 27. Januar 2006 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme erneut ab und wies die Klägerin darauf hin, dass die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 SGB V nicht erfüllt seien. Nur solche technischen Hilfen seien als Hilfsmittel im Sinne dieser Vorschrift anzuerkennen, die vom Behinderten getragen oder mitgeführt, bei einem Wohnungswechsel auch mitgenommen und benutzt werden könnten, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurecht zu finden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Technische Hilfen, die fest mit einem Gebäude verbunden seien oder der Anpassung des individuellen Umfeldes an die Bedürfnisse des Behinderten dienten, seien keine erforderlichen Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V. Bei den Lichtsignalanlagen handele es sich um technische Hilfen, die der Anpassung des Wohnumfeldes dienten. Sie seien bezüglich des Behinderungsausgleichs ohne Auswirkung. Die dadurch gewonnene Erleichterung im täglichen Leben erstrecke sich ausschließlich darauf, dass eine passive Kontaktaufnahme durch Besucher an der Wohnungstür ermöglicht werde. Die Ermöglichung der passiven Erreichbarkeit gehöre nicht zu den von den Krankenkassen auszugleichenden Grundbedürfnissen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2006 - abgesandt am 27. Februar 2006 - wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. Februar 2006 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Aurich erhoben. Sie hat vorgetragen, dass die Lichtsignalanlage die fehlende Körperfunktion (das Nichthören der Klingel/des Telefons/des Weckers) durch Lichtblitze ersetze. Diese Anlage sei nicht fest mit der Wohnung verbunden und könne problemlos bei einem Umzug mitgenommen werden. An dem Lichtwecker sei erkennbar, wer sie erreichen möchte (Haustür, Fax, Telefon, Babyphon). Die Anlage diene dazu, die Behinderung auszugleichen, sie gäbe Sicherheit im eigenen Haus auch nachts erreichbar zu sein. Das Hilfsmittel diene dem Ausgleich der Folgen der Hörbehinderung. Hierbei handele es sich um ein elementares Grundbedürfnis. Dazu gehöre das selbstständige Wohnen und die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen und Kommunikation mit anderen umfasse. Maßstab sei stets der nicht behinderte Mensch. Zu den Grundbedürfnissen gehör...