Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. bedarfsorientierte Grundsicherung bzw Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Mehrbedarfszuschlag wegen Alters. Nichtvorliegen eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen G. Wegfall der Übergangsregelung des § 23 Abs 1 S 2 BSHG ab 1.1.2005. rückwirkende Zuerkennung des Merkzeichens "G". verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Die Besitzstandsregelung des § 23 Abs 1 S 2 BSHG fand Anwendung, wenn für einen Hilfeempfänger am 31.7.1996 ein Mehrbedarf nach altem Recht anerkannt war. Mit der umfassenden ab 1.1.2005 geltenden Neuregelung der Grundsicherungsleistungen durch das SGB 2 und 12 hat der Gesetzgeber die Besitzstandsregelung des § 23 Abs 1 S 2 BSHG nicht übernommen. Damit endete der Schutz des Besitzstandes. § 30 Abs 1 Nr 2 SGB 12 erkennt ebenso wie § 3 Abs 1 Nr 4 GSiG nur den Mehrbedarf für Schwerbehinderte mit dem Ausweis Merkzeichen G an (vgl OVG Lüneburg vom 16.7.2001 - 12 PA 2413/01 = FEVS 53, 445 und vom 14.1.2004 - 12 PA 562/03, OVG Berlin vom 25.11.2003 - 6 N 55.03 = FEVS 55, 271 und LSG Stuttgart vom 20.11.2008 - L 7 SO 3246/08 = FEVS 61, 42). Dies gilt auch im Falle einer rückwirkenden Zuerkennung des Merkzeichens "G".
2. Zur verfassungskonformen Auslegung, ob der Besitz des Schwerbehindertenausweises auch zurückliegende Zeiten bis zur Feststellung des Merkzeichens G abdeckt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 31. August 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung eines Mehrbedarfs aufgrund des ihm zuerkannten Merkzeichens G bereits ab Feststellung dieses Merkzeichens zum 1. Februar 2004. Die Beklagte hat den Mehrbedarf erst ab Besitz des Schwerbehindertenausweises im Oktober 2006 bewilligt.
Der 1948 geborene Kläger bezog seit vielen Jahren Soziahilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Der Leistungsbezug dieser Sozialhilfe erfolgte bis Dezember 2004. Das Sozialamt der Landeshauptstadt Hannover beantragte die Gewährung von Grundsicherungsleistungen im Januar 2003 gemäß § 91a BSHG, der Kläger selbst mit Formblattantrag vom 13. Januar 2003. Im Dezember 2004 stellte die LVA Hannover nach einer Untersuchung des Klägers dessen dauerhafte und volle Erwerbsminderung mindestens seit dem 31. Dezember 2002 fest. Grundsicherungsleistungen wurden daraufhin mit Bescheid vom 25. April 2005 für die Jahre 2003 und 2004 unter Anrechnung der bereits geleisteten Sozialhilfe bewilligt und ausgezahlt.
Vom 1. Januar bis zum Mai 2005 erhielt der Kläger zunächst Arbeitslosengeld II (Alg II) nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) (Bescheid vom 16. Februar 2005). Ab dem 1. Juni 2005 wurde dem Kläger Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß § 41 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - SGB XII bewilligt und ausgezahlt, die Bewilligung hält bis heute an (Erstbescheid über die Bewilligung nach § 41 SGB XII vom 23. Mai 2005). Nach dem Vortrag des Klägers wurde die Alg II-Bewilligung später korrigiert und ab 1. Januar 2005 durchgehend Grundsicherungsleistungen bewilligt.
Der Kläger betrieb seit dem Juli 2003 ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Hannover (SG) (- S 30 SB 441/03 -) mit dem er einen höheren Grad der Behinderung (GdB) als 30 anstrebte. Ein GdB von 30 war im Bescheid des Versorgungsamtes Hannover vom 24. August 2001 festgestellt worden. Im Verhandlungstermin am 27. September 2006 vor dem SG Hannover stellte der Sachverständige fest, dass ein GdB von 60 zu befürworten sei und der Nachteilsausgleich G vorliege, und zwar ab Februar 2004. Der Vertreter des beklagten Landes gab ein dementsprechendes angenommenes Anerkenntnis ab. Dies wurde im Ausführungsbescheid vom 11. Oktober 2006 umgesetzt und das Merkzeichen G ab 1. Februar 2004 festgestellt. Der Schwerbehindertenausweis datiert vom 23. Oktober 2006, gültig ab 1. Februar 2004, und enthält das Merkzeichen G (GdB 50 statt anerkannt 60).
Mit Antrag vom 26. Oktober 2006 - Eingang bei der Landeshauptstadt Hannover am 31. Oktober 2006 - begehrte der Kläger im Hinblick auf das seit Februar 2004 zuerkannte Merkzeichen G die ihm dadurch zustehenden zusätzlichen Leistungen seit Februar 2004. Mit im Namen und im Auftrag der Beklagten erlassene Bescheid der Landeshauptstadt Hannover vom 22. November 2006 wurde dieser Antrag für die Zeit von Februar 2004 bis September 2006 abgelehnt. Abzustellen sei auf den Besitz des Ausweises im Oktober 2006. Der Mehrbedarf werde daher ab 1. Oktober 2006 bewilligt. Für den Zeitraum Februar 2004 bis September 2006 könne ein Mehrbedarf nicht gewährt werden, da der Kläger für diesen Zeitraum noch keinen Schwerbehindertenausweis besessen habe. Der Kläger legte Widerspruch mit der Begründung ein, d...