Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Existenzgründungszuschuss. zweckbestimmte Einnahme
Orientierungssatz
Der Existenzgründungszuschuss nach § 421l Abs 1 SGB 3 ist eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2. Er darf nicht als Einkommen gemäß § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 berücksichtigt werden. Der Existenzgründungszuschuss dient nicht der Sicherung des Lebensunterhalts wie die Leistungen des Arbeitslosengeld II, sondern anderen Zwecken (vgl LSG Celle-Bremen vom 23.6.2005 - L 8 AS 97/05 ER = Breith 2006, 151).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der dem Kläger gewährte Existenzgründungszuschuss nach § 421 I Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) auf die den Klägern ab dem 1. Januar 2005 gewährten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) als Einkommen anzurechnen ist.
Die ... 1979 geborene Klägerin und der ... 1971 geborene Kläger sind ein Ehepaar. Der Kläger besitzt eine Reisegewerbekarte der Stadt O vom 21. April 2004 für das Feilbieten und den Ankauf von Schrott, Metallen, Geschenkartikeln, alten Gebrauchtgegenständen, Autos, Lkws und Autozubehör, Gartenzubehör, Textilien, Lederwaren, Teppiche, Haushaltsartikeln und Musikinstrumenten; er ist weiter berechtigt zum Anbieten von Gartenarbeit, Messer- und Scherenschleifen, Gehweg-, Dach- und Fassadenreinigung, Entrümpelung, Holz- und Bautenschutz.
Die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Oldenburg - bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 5. August 2004 für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit am 2. August 2004 einen Existenzgründungszuschuss nach § 421 I SGB III vom 2. August 2004 bis 1. August 2005 in Höhe von monatlich 600,- €.
Die Kläger begehrten mit Antrag vom 27. Dezember 2004 Leistungen nach dem SGB II. Mit Bewilligungsbescheid vom 13. Januar 2005 wurde den Klägern für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005 monatliche Leistungen in Höhe von 398,- € bewilligt. Der Existenzgründungszuschuss wurde als Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigt. Wegen dieser Berücksichtigung des Existenzgründungszuschusses als Einkommen legten die Kläger Widerspruch ein. Der Zuschuss werde für den Aufbau des Handelsgewerbes benötigt. Dem Widerspruch wurde insoweit abgeholfen, als die vom Kläger monatlich zu zahlenden Rentenbeiträge in Höhe von 78,- € abgesetzt wurden (Änderungsbescheid vom 16.03.2005). Im Übrigen wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der verbleibende Betrag von 522,- € sei weiterhin als Einkommen bedarfsmindernd zu berücksichtigen (Widerspruchsbescheid vom 17.03.2005).
Die Kläger haben am 18. April 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben und weiterhin vorgetragen, dass der gesamte Existenzgründungszuschuss als Einkommen für das vom Kläger betriebene Gewerbe benötigt werde. Er dürfe daher nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Bis Ende 2004 hätten sie - die Kläger - Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - bezogen. Hierbei sei der Existenzgründungszuschuss nicht als Einkommen angerechnet worden.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 6. Dezember 2005 stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, den Klägern Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des Existenzgründungszuschusses zu gewähren. Zur Begründung hat sich das SG auf einen Senatsbeschluss vom 23. Juni 2005 (- L 8 AS 97/05 ER - Breithaupt 2006, S. 151) gestützt, wonach der Existenzgründungszuschuss nach § 421 I Abs. 1 SGB III eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II sei und nicht als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II berücksichtigt werden dürfe.
Das Urteil wurde der Beklagten am 4. Januar 2006 zugestellt.
Die Beklagte hat am 12. Januar 2006 Berufung eingelegt. Sie trägt unter Hinweis auf anderslautende Entscheidungen von Landessozialgerichten vor, dass der Existenzgründungszuschuss als Einkommen berücksichtigt werden müsse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 6. Dezember 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter erteilt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht mit Zustimmung der Beteiligten (Schriftsätze vom 16. und 17. Februar 2006) ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter als Einzelrichter, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2, 155 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die gemäß §§ 143, 145, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Das SG hat zu Recht entschieden, dass der dem Kläger gewährte Existenzgründungszuschuss nach § 421 I SGB III nicht als Ei...