Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgeld. Bedarfsgemeinschaft zwischen erwerbsfähigem Leistungsberechtigten und einem dauerhaft voll erwerbsgeminderten Partner. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 4 AS 46/17 R
Leitsatz (amtlich)
Eine nicht erwerbsfähige Person, die mit einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten als Partner in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, hat einen Anspruch auf Sozialgeld gemäß § 19 Abs 1 S 2 SGB II, soweit kein Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII besteht. Entscheidend ist der tatsächliche Leistungsanspruch, nicht die hypothetische Leistungsberechtigung aufgrund einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 15. Dezember 2015 wird aufgehoben. Der Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 22. November und 3. Dezember 2014 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2015 wird abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Mai 2015 zu gewähren.
Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, die eine ihren eigenen Bedarf deckende Rente wegen voller Erwerbsminderung von der K. bezieht, begehrt in drei getrennten beim Senat anhängigen Verfahren Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Hinweis auf das rechtliche Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrem erwerbsfähigen Ehemann, der seinerseits Bezieher von Leistungen nach dem SGB II ist. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft den Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Mai 2015.
Gemäß einer Rentenbezugsbescheinigung vom 2. März 2010 ist die 1959 geborene Klägerin, deren Grad der Behinderung vom L. mit 100 nebst Merkzeichen B, G, H und RF festgestellt ist, seit dem 1. September 1998 Bezieherin einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer, die zunächst von der M. gezahlt wurde. Die Klägerin, die seinerzeit noch bei den N. arbeitete und von dort Arbeitslohn in monatlich schwankender Höhe in einer Größenordnung von 230 € erhielt, und ihr Ehemann beantragten am 23. Dezember 2005 erstmals Leistungen nach dem SGB II. Die Rente der Klägerin betrug damals 674,79 €. Die Rechtsvorgängerin des Beklagten bewilligte dem Ehemann der Klägerin antragsgemäß Leistungen nach dem SGB II, der Klägerin hingegen nicht. In den nachfolgenden Leistungszeiträumen wurde stets daran festgehalten, dass allein der Ehemann der Klägerin als leistungsberechtigt nach dem SGB II angesehen wurde. Eine Betreuung der Klägerin, die zunächst bestanden hatte, wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Delmenhorst vom 8. Juni 2007 aufgehoben.
Die von der Klägerin und ihrem Ehemann bewohnte Wohnung besteht gemäß einer Mietbescheinigung vom 7. September 2012 aus drei Zimmern mit einer Gesamtwohnfläche von 58,9 m². Der Mietvertrag datiert vom 16. September 2003. Die Zahlbeträge änderten sich zum 1. Januar 2013, die Grundmiete betrug nunmehr 303,96 €, hinzu kamen Heizkosten in Höhe von 91 € und Betriebskosten in Höhe von 119 €, insgesamt mithin 513,96 €. Ab dem 1. Juli 2014 waren monatlich insgesamt 512,96 € zu zahlen, ab dem 1. Dezember 2014 wieder 513,96 €. Ab dem 1. Juli 2013 betrug die Rente der Klägerin monatlich 719,49 € netto, ab dem 1. Juli 2014 betrug sie monatlich 731,47 €, ab dem 1. Januar 2015 aufgrund einer Erhöhung des Beitrags zur Pflegeversicherung 729,02 € netto.
Am 1. Oktober 2014 beantragte der Ehemann der Klägerin, welcher über eigenes Einkommen nicht verfügte, die Fortzahlung von Leistungen nach dem SGB II, die seitens des Beklagten mit Bescheid vom 16. Oktober 2014 i. H. v. 609,48 € für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Mai 2015 bewilligt wurden. Im beigefügten Berechnungsbogen ist auch die Klägerin aufgelistet, deren Leistungen jedoch - wie auch in den zu vorvergangenen Bewilligungszeiträumen erstellten Berechnungsbögen - mit 0,00 € beziffert worden sind. Die Klägerin legte am 3. November 2014 Widerspruch ein, den der Beklagte nach zwischenzeitlicher Erteilung von Änderungsbescheiden vom 22. November und 3. Dezember 2014, in welchem die Leistungshöhe der Klägerin jedoch nicht verändert wurde, mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2015 zurückwies. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Klägerin habe keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II und verfüge über eigene Renteneinkünfte in ihren Bedarf deckender Höhe.
Die Klägerin hat am 12. Februar 2015 Klage erhoben. Sie hat dargelegt, sie verfüge über eine Erwerbsunfähigkeitsrente in einer Höhe, die einen eigenen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 41 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ausschließe. Sie habe daher einen eigenen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II in Form von Sozialgeld. Dies ha...