Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattungsstreit gem § 105 Abs 1 S 1 SGB 10. Zuständigkeit. Unzuständigkeit. Krankenversicherungsträger. Unfallversicherungsträger. Bindungswirkung eines bestandskräftig ablehnenden Bescheids der Unfallversicherung gegenüber dem Versicherten auch im Erstattungsverhältnis gegenüber der Krankenkasse. Krankenhausbehandlung
Orientierungssatz
Im Erstattungsverfahren einer gesetzlichen Krankenkasse gegen einen Unfallversicherungsträger nach § 105 Abs 1 SGB 10 entfaltet der bestandskräftige Ablehnungsbescheid des Unfallversicherungsträgers gegenüber dem Versicherten auch gegenüber dem Krankenversicherungsträger eine Bindungswirkung.
Normenkette
SGB X § 105 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 86; SGB VII § 8 Abs. 1; SGB V § 11 Abs. 5 S. 1
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. August 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 212.982,- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Erstattungspflicht von Behandlungskosten, die infolge eines Sturzereignisses des verstorbenen Versicherten entstanden sind.
Der 1937 geborene Versicherte war gelernter Tischlermeister und als Produktionsleiter in einer Stuhlfabrik beschäftigt; seit seinem 56. Lebensjahr befand er sich im Ruhestand. Am 20. Juli 2006 nahm er kleinere Reparaturarbeiten auf dem Dach der über 80-jährigen Patentante seines Sohnes, Frau F., vor. Zur Patentante des Sohnes bestand ein inniges freundschaftliches Verhältnis. Der Versicherte besuchte Frau F. nach dem Tod ihres Ehemanns regelmäßig 1mal wöchentlich. Bei diesen Besuchen wurde zusammen gegessen; der Versicherte führte aber auch kleinere und größere Handreichungen und Reparaturen innerhalb und außerhalb des Hauses durch (zB Reparieren der Heizung, Rasen mähen). Aufgrund ihres Alters konnte sich Frau F. nur noch wenig um ihr Haus kümmern. Deshalb schaute der Versicherte regelmäßig nach dem Rechten und stellte dabei auch die Mängel am Dach fest, die er am Unfalltag unentgeltlich ausbesserte. In der Folgezeit sollte eine komplette Dachsanierung durch eine Firma ausgeführt werden. Das für die Ausbesserungsarbeiten benötigte Material wurde vom Versicherten besorgt bzw von dessen Sohn, die Kosten trug Frau F.
Nach den Angaben seines Sohnes, G., trug der Versicherte am 20. Juli 2006 Dachlack auf rissige Stellen auf dem Flachdach (Bitumen-Pappdach, geteert, mit einer Neigung von 30 Grad) auf. Anlass für die Ausbesserungsarbeiten waren Wasserflecke und Wasser an der Decke im Wohnbereich. Für die Reparaturarbeiten hatte der Versicherte ca. 1 Stunde eingeplant. Mutmaßlich bei den Aufräumarbeiten stürzte er aus ungefähr 5 m Höhe vom Hausdach durch das Vordach auf den Betonfußboden. Der genaue Unfallhergang ist ungeklärt. Bei dem Sturz zog sich der Versicherte ua ein schweres Schädelhirntrauma (Grad III: Traumatische Subarachnoidalblutung (SAB) mit ausgedehntem Hirnödem) zu, in dessen Verlauf ein Hydrocephalus auftrat. Klinisch bestand eine wechselnd stark ausgeprägte Vigilianzstörung, Kommunikationsstörung und inkomplette spastische Tetraparese sowie Inkontinenz. Nach Entlassung aus der stationären Behandlung erfolgte eine Rund-um-die Uhr-Pflege bei künstlicher Ernährung durch die Angehörigen mit Unterstützung des ambulanten Pflegedienstes. Der Sohn, G., wurde als Betreuer des Versicherten eingesetzt. Leistungen der Pflegekasse wurden ab dem 17. August 2007 für Pflegestufe 3 gewährt. Der Versicherte ist am 29. Mai 2008 verstorben.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Sturzereignisses als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass zum Unfallzeitpunkt kein Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung bestanden habe. Bei den vom Versicherten am Unfalltag ausgeführten Dacharbeiten handele es sich nach Würdigung der Gesamt-umstände um eine unternehmerähnliche Tätigkeit, die den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz ausschließe. Vor dem Hintergrund seiner beruflichen Tätigkeit als Tischlermeister und der Tatsache, dass er auch in der Vergangenheit schon Dachausbesserungsarbeiten (zB Wechseln von Dachziegeln) vorgenommen habe, habe der Versicherte die erforderliche Sachkunde für die am Unfalltag ausgeführten Dacharbeiten besessen. Er habe in Bezug auf seinen Arbeitseinsatz selbständig über Umfang, Zeit und Dauer entschieden. Frau F. habe kein Weisungsrecht zugestanden. Als anwesendem “Fachmann„ und Durchführenden der Dachausbesserungsarbeiten habe grundsätzlich das Risiko der Tätigkeiten (Unternehmerrisiko) beim Versicherten gelegen. Bei der unfallbringenden Tätigkeit handele es sich um eine Auftragserledigung mit Werkvertragschar...