Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilung. Rechtmäßigkeit der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen im Zusammenhang mit Empfängnisregelung und Schwangerschaftsabbruch seit dem 3. Quartal 2010 innerhalb des Regelleistungsvolumens. keine inzidente Prüfung einer Gesamtvergütungsvereinbarung im Honorarrechtsstreit. Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien
Leitsatz (amtlich)
Es verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, dass vertragsärztliche Leistungen im Zusammenhang mit Empfängnisregelung und Schwangerschaftsabbruch seit dem 3. Quartal 2010 innerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet worden sind.
Orientierungssatz
1. Die inzidente Prüfung einer Gesamtvergütungsvereinbarung in einem Rechtsstreit über den Honoraranspruch eines Vertragsarztes ist grundsätzlich ausgeschlossen (vgl BSG vom 27.4.2005 - B 6 KA 23/04 R; BSG vom 31.8.2005 - B 6 KA 6/04 R = BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21).
2. Der Abschluss einer Vereinbarung über extrabudgetäre Vergütung ist fakultativ, also den regionalen Vertragspartnern freigestellt. Den Gesamtvertragsparteien steht hierbei ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 24. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.761 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des vertragsärztlichen Honorars für Leistungen im Zusammenhang mit Empfängnisregelung und Schwangerschaftsabbruch.
Die Klägerin ist als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in E. niedergelassen und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie erbringt in erheblichem Umfang Leistungen zur Empfängnisregelung (in den hier streitigen Quartalen III und IV/2010 vor allem nach den Gebührenordnungspositionen ≪GOPen≫ 01822, 01825 und 01827 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen ≪EBM≫) und in geringerem Umfang Leistungen im Vorfeld möglicher Schwangerschaftsabbrüche (insbesondere GOPen 01900 und 01902 EBM). Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) berechnete die darauf entfallenden Honorare als Bestandteil des Regelleistungsvolumens (RLV), was zur Folge hatte, dass nur 63,67 % der Leistungen im 3. Quartal und 63,75 % der Leistungen im 4. Quartal des Jahres 2010 zu vollen Eurobeträgen, die darüber hinausgehenden Leistungen hingegen abgestaffelt (mit Quoten von 7,02 % bzw 7,46 %) vergütet wurden. Insgesamt wurden der Klägerin im Quartal III/2010 31.395,36 Euro und im Quartal IV/2010 34.448,12 Euro ausgezahlt.
Mit ihren hiergegen gerichteten Widersprüchen machte die Klägerin geltend, die Leistungen der EBM-Unterkapitel 1.7.5 (Empfängnisregelung), 1.7.6 (Sterilisation) und 1.7.7 (Schwangerschaftsabbruch; im Folgenden zusammenfassend als “sonstige Hilfen„ bezeichnet) müssten wie bisher unbudgetiert als “freie Leistungen„ vergütet werden. Denn sie seien besonders förderungswürdig und müssten deshalb außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) bzw des RLV honoriert werden.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2011 zurück. Ab dem Quartal III/2010 seien verschiedene Leistungen, die bisher außerhalb des RLV vergütet worden seien, zur Stabilisierung des Fallwerts und einer homogenen Vergütung für alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte in das RLV hineingenommen worden. Die in Rede stehenden Leistungen gehörten nicht zu extrabudgetären oder besonders förderungswürdigen Leistungen, die von den Partnern der Gesamtverträge außerhalb der RLV oder der qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen (QZV) vergütet werden könnten.
Hiergegen hat die Klägerin am 13. Oktober 2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, mit der sie weiterhin geltend gemacht hat, die “sonstigen Hilfen„ müssten außerhalb der MGV oder zumindest der RLV vergütet werden. Die Einbeziehung dieser Leistungen in das RLV seit dem 3. Quartal 2010 habe zB im 3. Quartal zu einer Reduzierung des Fallwerts von 17,75 Euro (2009) auf 15,06 Euro (2010) geführt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte zB Substitutionsleistungen, diverse Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen, strahlentherapeutische Leistungen und Leistungen der künstlichen Befruchtung als besonders förderungswürdige Leistungen eingestuft habe, die Leistungen der EBM-Kapitel 1.7.5 bis 1.7.7 dagegen nicht. Dies gelte vor allem deshalb, weil die Regelungen über die Empfängnisverhütung sowie über Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation (§§ 24a und 24b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ≪SGB V≫) in das SGB V aufgenommen worden seien, um dem Rechtsanspruch auf Beratung und Aufklärung der Betroffenen und der Schutzpflicht des Gesetzgebers für das ungeborene Leben gemäß der Rspr des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nachzukommen. Dementsprechend bestehe in Deutschland ein Konsens, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche weitestgehend zu r...