Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. Wohnungserstausstattung. Waschmaschine. Erforderlichkeit. Ersatzbeschaffung. keine Verwirkung. Neugründung Haushalt nach Trennung vom Partner als wesentliche Mitursache für erneuten Bedarf
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Waschmaschine zählt zu den für eine geordnete Haushaltsführung erforderlichen Haushaltsgeräten iS des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 aF (nunmehr: § 24 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2).
2. Der Begriff der Erstausstattung ist nicht streng zeitbezogen, sondern bedarfsbezogen zu verstehen. Dementsprechend kommen auch Leistungen für Ersatzbeschaffungen zB nach einem Wohnungsbrand oder bei einer Erstanmietung nach einer Haft oder nach einer Trennung in Betracht.
3. Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass ein Leistungsberechtigter die erforderliche Anschaffung zunächst aus freier Entscheidung unterlassen hat und bereits längere Zeit ohne diese - an sich erforderlichen - Gegenstände gelebt hat. Eine Verwirkung kommt allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht.
4. Auch bei einer in der Vergangenheit unterlassenen Ersatzbeschaffung (hier: 17 Jahre vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit) bleibt die unmittelbar vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit erfolgte Trennung vom Partner zumindest rechtlich wesentliche Mitursache für den erneuten Bedarfsanfall.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 15. März 2011 sowie der Bescheid des Beklagten vom 8. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2008 werden aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 1. November 2007 für die Anschaffung einer Waschmaschine 179,00 Euro als Zuschuss zu gewähren.
Der Beklagte erstattet der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die teilweise Rücknahme des bestandskräftig gewordenen Bescheides des Beklagten vom 1. November 2007 im Wege des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). In der Sache begehrt die Klägerin die Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer Waschmaschine als Zuschuss anstatt als Darlehen.
Die 1954 geborene Klägerin wurde im Jahr 1991 geschieden. Bis zur Trennung im September 1987 verfügten die Eheleute über eine Waschmaschine, die allerdings zuletzt nicht mehr funktionsfähig war. Ob die Klägerin die defekte Waschmaschine bei ihrem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung mitnahm, ist ihr heute nicht mehr erinnerlich. Nach der Trennung von ihrem Ehemann lebte die Klägerin zunächst allein, in den Jahren 2001 bis 2003/2004 in einer nichtehelichen Lebenspartnerschaft in I.. In dieser Zeit nutzte sie eine im Eigentum ihres damaligen Partners stehende Waschmaschine. Nach der Trennung von diesem Lebenspartner zog sie nach J., wo sie existenzsichernde Leistungen (zeitweise lediglich ergänzend zum Erwerbseinkommen) zunächst nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und später nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bezog. Über eine Waschmaschine verfügte die Klägerin in dieser Zeit nicht sondern nutzte einen Waschsalon, wofür sie nach ihren eigenen Angaben ca. 30 bis 35 Euro pro Monat aufwandte.
Mit Schreiben vom 26. September 2007 beantragte die Klägerin im Zusammenhang mit einem vom zuständigen SGB II-Leistungsträger genehmigten Umzug nach K. u.a. einen Zuschuss für die Anschaffung einer Waschmaschine, da am neuen Wohnort kein Waschsalon existiere. Auf diesen Antrag gewährte der Beklagte ein Darlehen über 179,00 Euro (bestandskräftiger Bescheid vom 1. November 2007).
Am 17. August 2008 beantragte die Klägerin, den Bescheid vom 1. November 2007 dahingehend teilweise zurückzunehmen, dass die Anschaffungskosten für die Waschmaschine als Zuschuss anstatt als Darlehen übernommen werden. Diesen im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Antrag lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, dass ein Zuschuss lediglich für eine Erstausstattung gewährt werden könne. Die Klägerin habe jedoch bereits in der Vergangenheit eine Waschmaschine besessen. Für die nunmehr erforderliche Ersatzbeschaffung enthalte das SGB II keine Anspruchsgrundlage. Der Erhaltungs- bzw. Ersetzungsaufwand sei vielmehr aus der Regelleistung zu bestreiten (Bescheid vom 8. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2008).
Hiergegen hat die Klägerin am 24. November 2008 beim Sozialgericht (SG) Hildesheim Klage erhoben und geltend gemacht, dass der Begriff “Erstausstattung„ nicht zeitlich, sondern bedarfsbezogen zu interpretieren sei. Das SG Hildesheim habe bereits in einer anderen Entscheidung einen Zuschuss für die Anschaffung einer Waschmaschine mit der Begründung zugesprochen, dass in der Regelleistung keine gesonderten Beträge für die Nutzung eines Waschsalons vorgesehen seien (Urteil vom 3. August 2008 - S 13 AS 1126/06).
Das SG hat der Klage zunächst durch Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2010 stattgegeben, sie dann aber auf den vom Beklagten gestellten Antrag auf...