Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Schutzimpfung "Stamaril" gegen Gelbfieber. neurologische Erkrankung. Rhombenzephalitis. wissenschaftlich nicht bekannte Krankheitsursache. Krankheitsanlage. Auftreten erster Krankheitssymptome bereits vor der Impfung. ursächlicher Zusammenhang. bloße Möglichkeit des Kausalzusammenhangs nicht ausreichend. Kann-Versorgung
Orientierungssatz
1. Die bloße Möglichkeit einer Wehrdienstbeschädigung durch einen Impfstoff führt nicht zu einem Entschädigungsanspruch nach § 85 SVG (hier: Auftreten einer Rhombenzephalitis wissenschaftlich nicht bekannter Ursache im zeitlichen Zusammenhang mit einer Gelbfieber-Impfung bei bereits bestehenden Vorbeschwerden).
2. Auch im Rahmen der Kann-Versorgung nach § 81 Abs 6 S 2 SVG reicht die Möglichkeit des Kausalzusammenhangs nicht aus. So müssen neben dem zeitlichen Zusammenhang nach wenigstens einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen Belastungen und der festgestellten Erkrankung sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern es muss vielmehr eine "gute Möglichkeit" bestehen, die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann (vgl BSG vom 12.12.1995 - 9 RV 17/94 = SozR 3-3200 § 81 Nr 13).
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 18. Januar 2016 wird zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren um den Anspruch des Klägers auf Ausgleich nach den Vorschriften des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG).
Der am I. 1988 geborene Kläger war von April 2007 bis März 2019 als Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr. Am 9. Februar 2010 ist er zur Vorbereitung eines Einsatzes mit dem Impfstoff Stamaril gegen Gelbfieber geimpft worden. Am 4. Mai 2010 ließ der Kläger ein WDB-Blatt anlegen. Er machte die durchgeführte Impfung verantwortlich dafür, dass es bei ihm zu einer neurologischen Erkrankung gekommen sei. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland leitete Ermittlungen ein und zog medizinische Unterlagen über die Behandlung des Klägers bei. Hieraus ergibt sich unter anderem folgendes:
Der Kläger hatte sich am 17. September 2009 bei der fachärztlichen Untersuchungsstelle für Augenheilkunde in J. vorgestellt. Aus dem hierüber vorliegenden Untersuchungsbericht ergaben sich hinsichtlich seiner Augen keine besonderen Auffälligkeiten. Am 26. Februar 2010 stellte sich der Kläger bei dem Facharzt für Augenheilkunde Dr. K. in L. vor. Dort gab er an, seit November 2009 Beschwerden seitens der Augen zu haben. Folgebewegungen der Augen fielen ihm schwer. Dr. K. berichtete in seinem Arztbrief, derzeit sei die Augenmotilität intakt.
Ausweislich der G-Karte stellte sich der Kläger am 12. und 15. Februar 2010 mit einem Erkältungsinfekt vor. Am 22. Februar stellte er sich erneut vor und klagte über neurologische Beschwerden und eine Pupillenverzögerung. In einem Arztbrief des Bundeswehrkrankenhauses M. vom 23. Februar 2010 heißt es, der Kläger klage seit zwei Wochen über rezidivierende belastungsabhängige Schwindelattacken. Bei ihm bestünden schon länger Fixationsschwierigkeiten. In einem Arztbrief des Bundeswehrkrankenhauses N. vom 3. März 2010 heißt es, der Kläger klage seit Anfang des Monats bei körperlicher Belastung über ein Unsicherheitsgefühl. In einem Arztbrief der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums O. vom 27. April 2010 wird berichtet, der Kläger habe sich dort vom 22. bis zum 27. April 2010 stationär befunden. Dort wurde die Diagnose „Spinozerebelläre Ataxie“ gestellt. In der Vorgeschichte heißt es, der Kläger bemerke seit ca. November 2009 eine Verlangsamung seiner schnellen Blickbewegungen.
Der Kompaniechef des Klägers teilte unter dem 22. Juni 2010 mit, der Kläger sei zwar hoch belastet gewesen aber eben nicht mehr als in der Truppe üblich sei.
In einem Arztbrief des Universitätsklinikums P. vom Juli 2010 wird mitgeteilt, der Kläger sei von Kameraden im November 2009 auf eine Verlangsamung seiner Augenbewegungen aufmerksam gemacht worden. Dies sei ihm dann im Dezember auch aufgefallen und zwar bei einer Schießübung.
In einem ersten truppenärztlichen Gutachten von Oberstabsarzt Dr. Q. vom 26. August 2010 wird sehr kurz von der Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs der neurologischen Erkrankung mit der angeschuldigten Impfung ausgegangen. In einem Arztbrief des Bundeswehrkrankenhauses M. (Oberfeldarzt Dr. R.) vom 9. Dezember 2010 wird darauf hingewiesen, aus den vorliegenden Unterlagen ergäben sich diverse Hinweise darauf, dass die Erkrankung bereits vor der Impfung begonnen habe. Dr. R. verneinte einen Zusammenhang zwischen der neurologischen Erkrankung...