Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung des Anspruchs auf Erstattung der nach § 141n AFG gezahlten Sozialversicherungsbeiträge. Hemmung der Verjährungsfrist durch Verwaltungsakt. Zweifel an der Zustellung des Verwaltungsaktes. keine vorsätzliche Vorenthaltung von Beiträgen bei wirtschaftlichem Unvermögen
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Erstattung der von der Bundesagentur für Arbeit nach § 141n AFG gezahlten Sozialversicherungsbeiträge verjährt nach Ablauf der Verjährungsfrist von 4 Jahren nach § 25 Abs 1 S 1, Abs 2 SGB 4, wenn berechtigte Zweifel iS von § 37 Abs 2 S 2 SGB 10 an der Zustellung bzw Bekanntgabe eines die Verjährung unterbrechenden Verwaltungsaktes begründet werden und der Zugang eines Verwaltungsaktes nicht nachgewiesen werden kann.
2. Konnten im streitigen Zeitraum aufgrund wirtschaftlichen Unvermögens und des Konkursverfahrens auch keinerlei anderweitige Forderungen erfüllt werden, so liegt auch dann keine vorsätzliche Vorenthaltung von Beiträgen iS von § 25 Abs 1 S 2 SGB 4 mit der Folge einer Verjährungsfrist von 30 Jahren vor, wenn Teilzahlungen an die Arbeitnehmer zur Sicherstellung deren Existenzminimums geleistet wurden.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 8. Dezember 2000 wird geändert.
Es wird festgestellt, dass die Sozialversicherungsbeitragsforderung der Beklagten gegen den Kläger in Höhe von 16.805,04 DM verjährt ist.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten nach der Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 29. April 2003 - L 7 AL 262/01 - und Zurückweisung an das LSG durch Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. Oktober 2004 (noch) über die Feststellung, ob eine auf die Beklagte übergegangene Forderung auf Entrichtung von Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung verjährt ist.
Der Kläger war Inhaber von zwei Baustofffirmen, der Firma F. Baustoffe für den Hochbau und G. Baustoffe Nachfolger. Sein 1976 gestellter Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen wurde durch Beschluss des Amtsgerichts H. vom 18. November 1976 mangels Masse abgelehnt. Die Beklagte zahlte daraufhin an Arbeitnehmer der Firmen Konkursausfallgeld (Kaug) in Höhe von insgesamt 9.323,56 DM und entrichtete für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate noch offene Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 16.805,04 DM.
Mit Schreiben vom 28. Januar 1977 wies die Beklagte den Kläger auf den Anspruchsübergang gemäß § 141m Arbeitsförderungsgesetz (AFG) hin und forderte ihn zur Zahlung auf. Er beantragte am 19. September 1978 und 14. September 1979 eine ratenfreie Stundung der Gesamtforderung, dem die Beklagte mit Bescheiden vom 9. November 1978 und 2. Oktober 1979 zunächst bis 31. August 1979 und sodann bis 31. August 1980 entsprach.
Im März 1982 erwirkte die Beklagte wegen der Arbeitsentgeltansprüche (9.323,56 DM) zuzüglich Zinsen beim Arbeitsgericht H. einen Mahnbescheid vom 5. März 1982 und nachfolgend einen Vollstreckungsbescheid vom 23. März 1982.
Zur Vollstreckung der Beiträge in Höhe von insgesamt 16.805,04 DM richtete die Beklagte am 21. November 1980 ein Vollstreckungs- und Einziehungsersuchen an die Stadt I., die am 19. Januar 1982 ein Zahlungsverbot mit Überweisungsverfügung gegenüber dem Arbeitgeber des Klägers erließ. Der Pfändungsbeschluss wurde dem Arbeitgeber als Drittschuldner zugestellt, aufgrund des Zeitablaufes kann nicht festgestellt werden, ob dem Kläger eine Pfändungsverfügung mit dem Gebot, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten, übersandt worden ist. Aufgrund der Vollstreckungsanordnung/-ersuchen der Beklagten vom 21. März 1984 erging eine weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber dem Arbeitgeber am 24. September 1984 des nunmehr zuständigen Hauptzollamtes H., die eine Bezeichnung der beizutreibenden Forderung (Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung gemäß Leistungsbescheid des Arbeitsamtes H. vom 28. Januar 1977) enthält. Eine Abschrift wurde an den Kläger abgesandt. In den folgenden Jahren erteilte die Beklagte der Vollstreckungsstelle des Hauptzollamtes H. mehre Vollstreckungsaufträge, woraufhin 1990 eine weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügung erging und mehrfach - zuletzt am 7. September 1993 - Pfändungsversuche beim Kläger unternommen wurden. Alle Vollstreckungsmaßnahmen blieben insbesondere wegen vorrangiger Abtretungen ergebnislos.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) für 971 Tage in Höhe von zunächst 759,00 DM wöchentlich, wovon jedoch - nach Mitteilung über eine Abtretung - ab November 1997 61,80 DM und ab Januar 1998 67,80 DM an die J. bank K. ausgezahlt wurden. Ab Juli 1998 stellte die Beklagte die Zahlungen an die J. bank ein und erließ gegenüber dem Kläger einen Besche...