Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Heilmittelkostenregress. Verordnungsfähigkeit von Kohlensäurebädern und Maßnahmen der Phototherapie
Leitsatz (amtlich)
1. Die vertragsärztliche Verordnung von Kohlensäurebädern ist nur bei Vorliegen der im Heilmittel-Katalog angeführten Indikationen, die von Maßnahmen der Phototherapie überhaupt nicht zulässig.
2. Gegen hierauf gestützte Regresse kann sich der verordnende Vertragsarzt grundsätzlich nicht unter Hinweis auf Verträge wehren, die zwischen den Leistungserbringern und den Krankenkassen abgeschlossen worden sind.
Nachgehend
Tenor
Die Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 14. November 2017 wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das zweitinstanzliche Verfahren wird auf 100.942,87 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen drei von dem beklagten Beschwerdeausschuss festgesetzte Heilmittelkostenregresse.
Er ist Facharzt ≪FA≫ für Haut- und Geschlechtskrankheiten und war bei der zu 3. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung ≪KÄV≫ Niedersachsen in den vorliegend betroffenen Quartalen (I/2004 bis I/2005) zur vertragsärztlichen Versorgung zu- und mit Praxissitz in S. niedergelassen.
Mit Schreiben vom 13. Juni 2005 beantragte die zu 1. beigeladene Krankenkasse ≪KK≫ die Prüfung der Verordnungsweise und Feststellung eines Schadens für die Quartale I/2004 bis I/2005 (Bl 1 des von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgangs ≪VV-III≫). Dabei ging es um die Verordnung von Phototherapie und Kohlensäurebädern durch den Kläger für bei ihr versicherte Patienten bei - im Wesentlichen - den Diagnosen Psoriasis vulgaris, Psoriasis inversa und Atopisches Ekzem. Der Kläger verordnete für die Versicherten am selben Tag jeweils Phototherapie und Kohlensäurebäder. Zur Begründung führte die Beigeladene zu 1. aus, es liege ein Verstoß gegen die Heilmittel-Richtlinien vor. Die Balneo-Phototherapie sei seit dem 16. November 2000 laut Festlegung durch den (damaligen) Bundesausschuss Ärzte und Krankenkassen vom 10. Dezember 1999 nicht mehr für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen und aus den Heilmittel-Richtlinien entfernt worden. Die Behandlungsart sei auch nicht als Kombination von Heilmitteln, die in der Summe der Balneo-Phototherapie entsprächen, verordnungsfähig. Das Verordnungsverhalten des Arztes deute aber darauf hin, dass Balneo-Phototherapie verordnet und durchgeführt worden sei.
Mit zwei Schreiben vom 11. und 14. November 2005 beantragte die zu 2. beigeladene Krankenkasse eine Prüfung der Verordnungsweise des Klägers für das 2. und das 3. Quartal 2004 (jeweils Bl 1 VV-I und VV-II). Dabei ging es um die Verordnung von Kohlensäurebädern bei - im Wesentlichen - den Diagnosen Psoriasis vulgaris, Psoriasis inversa und Atopisches Ekzem für bei ihr versicherte Patienten.
Mit zwei Schreiben vom 27. Juni 2006 nahm der Kläger gegenüber dem Prüfungsausschuss Stellung (Bl 12 VV-I und Bl 54 VV-II). Der geltende Heilmittelkatalog verhalte sich zu Heilmitteln im Bereich der Dermatologie nicht, sodass ihm insoweit auch keine Ausschlusswirkung zukommen könne. Demgemäß fehle es an einem Ausschlusstatbestand nach § 92 Abs 1 S 1 Halbs 2 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫. Die Annahme, Heilmittel im Bereich der Dermatologie dürften wegen Nichterwähnung in den Heilmittel-Richtlinien nicht verschrieben werden, sei unzutreffend. Das geltende Recht sehe keine Zulassung bestimmter Therapieformen durch den Bundesausschuss vor. Wäre man insoweit anderer Ansicht, käme es auf die Heilmittel-Richtlinien schon deshalb nicht an, weil die Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V lediglich empfehlenden Charakter hätten. Die streitigen Leistungen seien in einer Fachklinik erbracht und gegenüber den KKen abgerechnet worden. Dem hätten vertragliche Vereinbarungen mit den KKen zugrunde gelegen. Diese Vereinbarungen seien unabhängig vom Inhalt der Heilmittel-Richtlinien verbindlich (Hinweis auf ein Urteil des SG Hannover vom 8. Januar 2005 - S 2 KR 1470/01). Ein vertragsgemäßes Verhalten des Leistungserbringers sei nicht geeignet, einen wie auch immer gearteten Schadensersatzanspruch gegen den Vertragsarzt hervorzubringen. Selbst für den Fall, dass die in Rede stehenden Leistungen nicht verordnungsfähig gewesen wären, fehlte es an einem Schaden der KK. Anstelle der hier in Rede stehenden Therapiemaßnahmen wären andere Therapieformen unter Einschluss medikamentöser Behandlungen erforderlich geworden. Die Verschreibung eines Heilmittels löse noch keinen Vergütungsanspruch der das Heilmittel abgebenden Stelle aus. Insoweit bestehe vielmehr ein Vorbehalt einer Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ≪MDK≫. Werde die nicht verordnungsfähige Leistung vergütet, liege eine freiwillige Leistung der...