Entscheidungsstichwort (Thema)
Waisenrentenanspruch. Weitergewährung. Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst
Leitsatz (amtlich)
Die Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst (EFD) begründet keinen Anspruch auf Weitergewährung einer (Halb-)Waisenrente nach § 48 Abs 4 S 1 Nr 2 SGB 6.
Orientierungssatz
1. Eine rechtliche Qualifizierung des EFD als freiwilliges soziales bzw ökologisches Jahr scheitert bereits daran, dass der Träger nicht die nach diesen gesetzlichen Vorgaben bundesdeutsche Zulassung besitzt.
2. Eine erhöhte Fürsorge für die Waisen eines Beamten korrespondiert mit der Treuepflicht des Beamten, die in der allgemeinen Sozialversicherung keine Parallele hat (vgl BSG vom 20.6.2002 - B 13 RJ 45/01 R = SozR 3-2600 § 48 Nr 7)
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die 1985 geborene Klägerin begehrt die Weitergewährung einer Halbwaisenrente für die Zeit der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst (EFD).
Der Vater der Klägerin verstarb 1992. Die Beklagte gewährte der Klägerin bis zum Abschluss der Schulausbildung eine Halbwaisenrente.
Nach dem Abitur nahm die Klägerin vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2007 an einem auf der Grundlage des Beschlusses Nr. 1031/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2000 (ABl. L 117 vom 18. Mai 2000) durchgeführten EFD in La Paz Centro (Nicaragua) bei der dortigen Aufnahmeorganisation "H. " teil. Sie erhielt in diesem Zeitraum von Seiten der Aufnahmeorganisation freie Unterkunft und Verpflegung sowie aus Mitteln des EU-Programms ein monatliches Taschengeld in Höhe von 120 €. Von deutscher Seite wurde darüber hinaus das Kindergeld weitergewährt. In Anschluss an dieses freiwillige Dienstjahr hat die Klägerin ein Studium der Anthropologie und Vergleichenden Kulturwissenschaften aufgenommen.
Ihren Antrag, ihr auch für den Zeitraum des EFD die Halbwaisenrente weiterzugewähren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Juni 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2006 mit der Begründung ab, dass die Ableistung eines solchen Freiwilligendienstes nicht vom Tatbestand des § 48 SGB VI erfasst werde.
Zur Begründung ihrer am 22. November 2006 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass die in § 48 SGB VI enthaltene Aufzählung keinen abschließenden Charakter habe. Es seien keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb ein EFD nicht mit den vom Tatbestand dieser Norm ausdrücklich erfassten freiwilligen sozialen bzw. ökologischen Jahren gleichzustellen sei. Bezeichnenderweise habe der Gesetzgeber für die Teilnehmer am EFD in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG einen Anspruch auf Kindergeld begründet.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2009, der Klägerin zugestellt am 1. Juli 2009, hat das Sozialgericht Hildesheim die Klage abgewiesen. Einer entsprechenden Anwendung der Bestimmungen des § 48 Abs. 4 SGB VI auf die Ableistung eines EFD stehe bereits das Fehlen einer systemwidrigen Regelungslücke entgegen.
Mit der am 31. Juli 2009 eingelegten Berufung trägt die Klägerin vor, dass sich eine "bewusste Wertungsentscheidung" des Gesetzgebers gegen eine Einbeziehung des EFD in den Katalog des § 48 Abs. 4 SGB VI nicht feststellen lasse. Zumindest habe er entscheidungserhebliche Aspekte übersehen oder unzutreffend bewertet. Namentlich habe der Gesetzgeber den mit der Einführung des EFD von Seiten der Europäischen Union verfolgten Zielen nur unzureichend Rechnung getragen. Das EFD verfolge vergleichbare Ziele wie das freiwillige soziale bzw. ökologische Jahr. Es diene namentlich der Förderung der Mobilität und der interkulturellen Kompetenzen. Zudem sei es unzulässig, Waisenrentenansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung an strengere Voraussetzungen zu knüpfen als beamtenrechtliche Waisenversorgungsansprüche.
Die Klägerin beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 23. Juni 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2006 aufzuheben und
2. die Beklagte zur Gewährung einer Halbwaisenrente für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2007 zu verpflichten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 7. Oktober 2009 und Schriftsatz der Beklagten vom 6. Oktober 2009) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat für den Zeitraum ihrer Teilnahme am EFD vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2007 keinen Anspruch auf die Gewährung einer Halbwaisenrente. Da die Klägerin seinerzeit das 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte, konnte sie eine Weitergewährung der Halbwaisenrente nur ...