Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage eines stufenweisen Wiedereingliederungsplans zur Bewilligung von Krankengeld

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Gewährung von Krankengeld setzt nach § 46 SGB 5 u. a. die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten voraus. Diese muss nicht zwingend durch einen Vertragsarzt erfolgen.

2. Auch ein vom behandelnden Arzt erstellter Plan zur stufenweisen Wiedereingliederung des Versicherten in das Erwerbsleben stellt eine nach außen durch ein Schriftstück dokumentierte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten dar.

3. Nach § 74 SGB 5 setzt eine stufenweise Wiedereingliederung die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit des Versicherten voraus.

4. Hat die Krankenkasse bei Vorlage eines Wiedereingliederungsplans Zweifel am Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit, so muss sie unabhängig von der Vorlage einer weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entsprechende Ermittlungen einleiten.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.10.2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 25.03.2015 bis zum 13.04.2015.

Die bei der Beklagten aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses als Erzieherin bei der H Kindertagesbetreuung (im Folgenden: Arbeitgeber) gesetzlich krankenversicherte Klägerin erkrankte am 17.11.2014 arbeitsunfähig. Nach dem Ende der Entgeltfortzahlung zahlte die Beklagte der Klägerin ab dem 29.12.2014 Krankengeld i.H.v. 40,69 Euro brutto bzw. (nach Abzug der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung und zur Arbeitsförderung) i.H.v. 35,80 EUR netto pro Kalendertag.

Der Krankengeldzahlung lagen dabei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zugrunde, die der bei der Gemeinschaftspraxis Dr. H und L angestellte Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie S unter Verwendung des so genannten "Musters 1" (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) einerseits und des so genannten "Musters 17" (Bescheinigung für die Krankengeldzahlung, "Auszahlschein") ausgestellt hatte, und zwar:

- am 04.12.2014 bis zum 08.01.2015 (Muster 1)

- am 18.12.2015 bis zum 08.01.2015 (Muster 17)

- am 08.01.2015 bis zum 26.01.2015 (Muster 17)

- am 26.01.2015 bis zum 23.02.2015 (Muster 17)

- am 23.02.2015 bis zum 24.03.2015 (Muster 17).

Die genannten Bescheinigungen gingen jeweils vor Ablauf einer Woche nach ihrer Ausstellung bei der Beklagten ein.

Am 12.03.2015 erstellte Herr S unter Verwendung des Formulars "Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (Wiedereingliederungsplan)" einen Plan für die stufenweise Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit der Klägerin. Danach sollte die Klägerin vom 25.03.2015 bis zum 07.04.2015 2 Stunden täglich, vom 08.04.2015 bis zum 21.04.2015 3 Stunden täglich und vom 22.04.2015 bis zum 05.05.2015 4 Stunden täglich ihre berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen. Weiterhin kreuzte Herr S in dem Formular an, dass der Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit "z. Z. nicht absehbar" sei. Die Klägerin und ihr Arbeitgeber erklärten sich durch ihre Unterschriften am 18.03.2015 mit dem vorgeschlagenen Wiedereingliederungsplan einverstanden. Der Arbeitgeber ergänzte allerdings den Zusatz:

"Die Wiedereingliederung erfolgt während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit. Krankenbezüge werden nach den gesetzlichen und tariflichen Regelung gezahlt."

Darüber hinaus erklärte der Arbeitgeber, dass für die geleisteten Stunden kein Arbeitsentgelt gezahlt werde.

Die mit allen angeführten Erklärungen versehene "Ausfertigung für die Krankenkasse" ging der Beklagten am 20.03.2015 zu. Die Beklagte bestätigte den Wiedereingliederungsplan mit Schreiben vom 07.04.2015. Mit Schreiben vom gleichen Tage führte sie aus, dass der Arzt der Klägerin die Arbeitsunfähigkeit bis zum 24.03.2015 bescheinigt habe und sie deshalb Krankengeld bis zum 24.03.2015 zahle.

Den Wiedereingliederungsplan setzten die Klägerin und ihr Arbeitgeber um.

Am 13.04.2015 bescheinigte Herr S unter Verwendung des Musters 17 Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis zum 05.05.2015. Diese Bescheinigung ging am 16.04.2015 bei der Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 16.04.2015 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 24.03.2015 bis zum 13.04.2015 mit der Begründung ab, die weitere Arbeitsunfähigkeit sei nach der bis zum 24.03.2015 reichenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst wieder am 13.04.2015 festgestellt worden. Krankengeld könne erst mit dem auf den Feststellungstag der Arbeitsunfähigkeit folgenden Tag, das heißt ab dem 14.04.2015 gewährt werden.

Hiergegen legte die Klägerin am 05.05.2015 mit der Begründung Widerspruch ein, sie habe die Bescheinigung für eine Krankengeldzahlung erst aufgrund eines Telefonats mit einer Mitarbeiterin der Beklagten am 09.04.2015 zugesandt bekommen. Die Beschei...

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