Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss eines Zeugnisverweigerungsrechts der Eltern des Hilfebedürftigen zu deren Einkommensverhältnissen
Orientierungssatz
1. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des von einem Zeugen geltend gemachten Zeugnisverweigerungsrechts ergeht durch Beschluss. Der Zeuge, dessen geltend gemachtes Zeugnisverweigerungsrecht verneint worden ist, ist nach § 172 Abs. 1 SGG beschwerdeberechtigt.
2. Eltern sind als Verwandte in gerader Linie des Betroffenen nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO grundsätzlich zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse besteht aber nach § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kein Zeugnisverweigerungsrecht. Es muss sich um solche Vermögensangelegenheiten handeln, die unmittelbar durch das Familienverhältnis bedingt sind.
3. Bei den von der Vermutungsregelung des § 9 Abs. 5 SGB 2 zugrunde gelegten Tatsachen handelt es sich um solche, die durch das Familienverhältnis bedingte Vermögensangerlegenheiten betreffen. Der Zusammenhang zwischen den Einkünften der Eltern des Hilfebedürftigen und dessen nach den Regeln des SGB 2 zu bestimmenden Einkommensverhältnissen beruht allein auf dem bestehenden Verwandtschaftsverhältnis. Damit können sich die Eltern als Verwandte des mit dem Hilfebedürftigen in gerader Linie nach § 383 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen.
Tenor
Die Beschwerden der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 26.04.2010 werden zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Entscheidung des Sozialgerichts über ihre Zeugnisverweigerung im Rechtsstreit ihres Sohnes, des Klägers, um Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für die Zeit ab dem 01.08.2006.
In dieser Zeit wohnte der Kläger mit beiden Beschwerdeführern in einer gemeinsamen Wohnung. Den für den Zeitraum ab dem 01.08.2006 gestellten Leistungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2006 ab; der Kläger lebe in Haushaltsgemeinschaft mit seinen Eltern, habe jedoch trotz Fristsetzung Unterlagen über die Einkommensverhältnisse seiner Eltern nicht vorgelegt. Seine Hilfebedürftigkeit sei nicht nachgewiesen. Im Rahmen einer Beweislastentscheidung sei daher zu seinen Lasten zu entscheiden.
Mit der am 14.12.2006 zum Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ab dem 01.08.2006 begehrt und unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Implikationen im Wesentlichen geltend gemacht, er könne Unterlagen ohne Mitwirkung seiner Eltern nicht beibringen.
Das Sozialgericht hat den Kläger zunächst in nichtöffentlicher Sitzung vom 27.04.2007 gehört. Sodann hat es zur mündlichen Verhandlung am 26.04.2010 die Beschwerdeführer zu 1) und 2) als Zeugen geladen unter Benennung der folgenden Beweisthemen:
- Wohn- und Wirtschaftsverhältnisse im Haus C Straße von August 2006 bis Oktober 2007 - Eigene Einkünfte von August 2006 bis Oktober 2007.
Mit Schriftsätzen vom 21.04.2010 haben die Beschwerdeführer angekündigt, sich zu beiden Beweisthemen im Termin am 26.04.2010 nicht zu äußern. Die Ladung als Zeuge/Zeugin sei eine fehlerhafte Ermessensausübung, Auskünfte zum Haus C Straße gehörten nicht zur Sache.
In der mündlichen Verhandlung am 26.04.2010 haben die Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf ihre Schriftsätze vom 21.04.2010 erklärt, sie würden nicht aussagen.
Das Sozialgericht hat die mündliche Verhandlung daraufhin vertagt und folgenden Beschluss verkündet:
Die Zeugin P ist wegen der im Schriftsatz vom 21.04.2010 vorgebrachten Gründe nicht zur Zeugnisverweigerung hinsichtlich der Einkünfte im Zeitraum August bis Oktober 2007 berechtigt. Der Zeuge P ist wegen der im Schriftsatz vom 21.04.2010 vorgebrachten Gründe nicht zur Zeugnisverweigerung wegen der Einkünfte im Zeitraum August 2006 bis Oktober 2007 berechtigt.
Die Zeugen P sind wegen des Zeugnisverweigerungsrechts aus § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur berechtigt, das Zeugnis hinsichtlich Auskünften zu den Wohn- und Wirtschaftsverhältnissen im Haus C Straße zu verweigern.
Diesen Beschluss hat das Sozialgericht unter dem Datum 26.04.2010 schriftlich begründet, worauf Bezug genommen wird. In den Urkunden über die Zustellung des Beschlusses an die Beschwerdeführer ist allerdings "Beschluss vom 12.05.2010" angeführt.
Gegen den ihnen jeweils am 18.05.2010 zugestellten Beschluss haben beide Beschwerdeführer jeweils am 17.06.2010 Beschwerde eingelegt, mit der sie sich in erster Linie gegen die Ablehnung einer Beiladung im Sinne von § 75 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wenden. Wegen der bestehenden Datenschutzproblematik seien sie beizuladen. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Nach dem Inhalt der Schreiben beider Beschwerdeführer vom 21.04.2010, den der Sitzungsniederschrift zum Termin vom 26.04....