Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss bei Unterbringung im Maßregelvollzug. dauerhaft Beurlaubter
Orientierungssatz
Die dauerhafte Beurlaubung aus dem Maßregelvollzug beendet den Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung iS des § 7 Abs 4 S 2 SGB 2. Diese Vollzugslockerung unterscheidet sich insofern von den Vollzugslockerungen des Strafvollzugs als es Zielsetzung der Beurlaubung ist, den Antragsteller zu resozialisieren und auf ein selbstbestimmtes Leben und eine Erwerbstätigkeit vorzubereiten. Damit hat er Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 19.12.2016 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Antragstellers auch im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H, X, bewilligt.
Gründe
I.
Der am 00.00.1989 geborene Antragsteller befand sich seit Juli 2012 im geschlossenen Maßregelvollzug des LWL Zentrum für forensische Psychiatrie M. Von dort wurde er ab dem 15.01.2016 beurlaubt. Die Beurlaubung war mit Auflagen und Weisungen verbunden. U.a. hatte der Antragsteller in einer bestimmten Wohnung zu wohnen, in Absprache mit dem "Ambulant Betreuten Wohnen" berufliche Perspektiven zu entwickeln, ein "Beurlaubungsbuch/Ausgangsbuch" zu führen, auswärtige Übernachtungen abzusprechen, sich in der ersten Beurlaubungsphase einmal in der Woche zu melden und selbst Sorge für die Wahrnehmung von Terminen z.B. beim Jugendamt oder Jobcenter zu tragen (Schreiben des LWL Zentrum für forensische Psychiatrie M vom 13.01.2016).
Am 22.12.2015 beantragte der Betreuer des Antragstellers Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beim Antragsgegner. Als Einkommen des Antragstellers gab er Kindergeld und Waisenrente an. Ferner reichte er einen Mietvertrag zwischen dem LWL und den Antragsteller über ein möbliertes Appartement in M ein.
Mit Bescheid vom 11.01.2016 bewilligte der Antragsgegner für die Zeit vom 15.01.2016 bis 30.06.2016 vorläufig unter Bezugnahme auf § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II iVm § 328 Abs. 1 Satz 1 SGB III Leistungen, davon für jeden vollen Monat 306,43 Euro Unterkunftskosten und 80,55 Euro Regelleistungen.
Am 21.01.2016 vermerkte der Antragsgegner nach Mitteilung des Betreuers sei der Aufenthalt des Antragstellers unklar. Mit Bescheid vom 21.01.2016 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 11.02.2016 ab Februar 2016 auf. Zur Begründung führte er aus: "vorrangiger Anspruch auf SGB XII-Leistungen, fehlender Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich". Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch. Der Antragsteller sei nach Einschätzung der Psychiatrie erwerbsfähig. Er reichte die Meldebestätigung vom 25.01.2016 für die Wohnung des LWL ein. Der Antragsgegner vermerkte, die Wohnung sei nach Auskunft der Klinik zu Beginn der Beurlaubung noch nicht bezugsfertig gewesen. Der Betreuer wisse nicht, wo sich der Antragsteller aufhalte. Zudem äußerte er Zweifel an der Erwerbsfähigkeit. Der Betreuer des Antragstellers erwiderte, dieser wohne in der Wohnung des LWL. Der Außendienst des Antragsgegners nahm die Wohnung am 20.06.2016 im Beisein des Antragstellers sowie des Betreuers in Augenschein. Dem Bericht ist u.a. zu entnehmen, der Kühlschrank habe auf dem Herd gestanden, in der Badewanne seien Spinnweben gewesen, im Übrigen seien keine wesentlichen Auffälligkeiten festgestellt worden. Der Antragsteller wurde am 06.07.2016 amtsärztlich begutachtet und in Übereinstimmung mit der Einschätzung des behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie C1 für erwerbsfähig erachtet (schwere körperliche Tätigkeiten täglich von drei bis unter sechs Stunden).
Auf Anfrage des Antragsgegners teilte das LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie mit (Schreiben vom 26.09.2016), der Antragsteller sei weiterhin Patient der Klinik in dem Status des sog. Langzeitbeurlaubten. Eine Beurlaubung sei eine Vollzugslockerung und wesentlicher Bestandteil der Therapie und richte sich nach dem Erfolg sowie der vom Patienten ausgehenden Gefährlichkeit. Zur Vorbereitung einer Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung könne als letzte Lockerungsstufe vor der Entlassung die Beurlaubung erfolgen, die ein bis zwei Jahre dauern könne. In dieser Zeit werde der Patient intensiv weiterhin von der Maßregelvollzugsklinik ambulant betreut. Er werde in eine geeignete Umgebung, oftmals ein Wohnheim oder eine Einrichtung des betreuten Wohnens, beurlaubt. Die Beurlaubung erfolge, um zu erproben, welche weiterführenden Bedingungen für eine günstige Prognose erforderlich seien. Im Krisenfall könne der Patient wieder unmittelbar der forensischen Klinik zugeführt werden.
Am 08.11.2016 wies der Antragsgegner den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.01.2016 zurück. Es sei zweifelhaft, ob der Antragsteller zum Zeitpunkt der Beurlaubung erwerbsfähig gewesen sei. ...