Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung bzw. der Sozialhilfe für einen Unionsbürger durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Die Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 mit europäischem Gemeinschaftsrecht ist umstritten. Sowohl der EuGH als auch das BSG haben die Frage bisher offen gelassen.
2. Ebenso umstritten ist, ob das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 im Fall eines griechischen Staatsangehörigen ausschließt.
3. Die BRD hat am 19.12.2011 einen Vorbehalt zum EFA notifiziert. Die Wirksamkeit dieser Vorbehaltserklärung ist gleichfalls umstritten.
4. Wegen der Komplexität der Rechtslage ist eine abschließende Klärung des Anspruchs eines griechischen Staatsangehörigen auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht möglich. In einem solchen Fall ist aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden.
5. Bei ungeklärter Rechtslage überwiegt das Interesse des Grundsicherungsträgers, keine finanziellen Aufwendungen an den Antragsteller aufbringen zu müssen, das Interesse des Antragstellers am Erlass einer Regelungsanordnung hinsichtlich der Leistungen nach dem SGB 2. Denn während eines Klageverfahrens gegen die Leistungsablehnung kann das Existenzminimum des Antragstellers bei fortbestehender Hilfebedürftigkeit durch die Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB 12 gedeckt werden.
6. Hinsichtlich einer Verpflichtung des Leistungsträgers nach dem SGB 12 ist zur Glaubhaftmachung des erforderlichen Anordnungsgrundes notwendig, dass zuvor alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, das erstrebte Ziel auch ohne Einschaltung des Gerichts zu erreichen. Dazu zählt insbesondere die vorherige Kontaktaufnahme mit dem für die begehrte Leistung zuständigen Verwaltungsträger.
Tenor
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 16.07.2011 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) sowie gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.
Der am 00.00.1973 in L geborene Antragsteller ist griechischer Staatsbürger und Inhaber einer Bescheinigung nach § 5 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU).
Überwiegend hat er in Griechenland gelebt.
Nach Angaben in einem Termin vor dem Sozialgericht am 09.02.2012 hat er sich bereits vor seinem aktuellen Aufenthalt in der Bundesrepublik aufgehalten und einige Monate "schwarz" in N gearbeitet, bevor er wieder nach Griechenland zurückkehrte.
Erneut reiste der Antragsteller im März 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein und arbeitete zunächst ca. einen Monat in einem Restaurant in X bei C. Diese Tätigkeit gab der Antragsteller wegen empfundener Überlastung auf, meldete sich am 05.05.2011 in Dortmund an und beantragte am 23.05.2011 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II unter Vorlage eines Mietvertrages über die Anmietung einer Unterkunft zu einer Pauschalmiete von 120,00 EUR monatlich.
Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 31.05.2011 ab und wies den Widerspruch des Antragstellers hiergegen mit Bescheid vom 23.08.2011 zurück.
Gegen diese Ablehnung ging der schon seinerzeit anwaltlich vertretene Antragsteller im Klageverfahren S 29 AS 3957/11 durch Klageerhebung am 09.09.2011 sowie durch Stellung eines Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 02.01.2012 (S 29 AS 1/12 ER) vor.
In einem Termin vom 09.02.2012 hat das Sozialgericht den Kläger angehört sowie den Vermieter des Klägers als Zeugen vernommen. Zum Ergebnis wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.02.2012 Bezug genommen.
Im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme erklärte der vor dem Sozialgericht erschienene Vertreter des Antragsgegners dessen Bereitschaft, Leistungen in Höhe des Regelsatzes und der Kosten der Unterkunft (120,00 EUR monatlich) ab dem 01.05.2011 rückwirkend zu gewähren.
In Ausführung dieses Anerkenntnisses gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheiden vom 22.02.2012 und 28.02.2012 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05.2011 bis 18.12.2011 und erläuterte dies mit Schreiben vom 19.03.2012 dahin, nach der Vorbehaltserklärung der Bundesrepublik Deutschland zum Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) sei der Antragsteller mit Wirkung zum 19.12.2011 nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 SGB II von Leistungsansprüchen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Mit Schreiben vom 13.03.2012 hat der Prozessbevollmächtigte die Weiterzahlung von Leistungen ab dem 18.12.2011 an den Antragsteller begehrt und mit Schreiben vom 30.03.2012 nach Erhalt d...