Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Sozialgerichtsbarkeit. Streit über ein von einem Grundsicherungsträger verhängtes Hausverbot. Rechtswegentscheidung der Vorinstanz. keine Bindungswirkung bei Verstoß gegen § 17a Abs 3 S 2 GVG. Sachzusammenhang. Bestehen eines Sozialrechtsverhältnisses nach dem SGB 2
Orientierungssatz
1. Eine Bindungswirkung an die Rechtswegentscheidung der Vorinstanz nach § 17a Abs 5 GVG tritt nicht ein, wenn diese bei ihrer Rechtswegentscheidung gegen § 17a Abs 3 S 2 GVG verstoßen hat (vgl BSG vom 3.8.2011 - B 11 SF 1/10 R = SozR 4-1500 § 51 Nr 10).
2. Bei einem Streit über ein Hausverbot ist der Sozialrechtsweg gegeben, wenn ein Rechtsverhältnis zwischen der Behörde, die das Hausverbot ausspricht, und dem Adressaten besteht und für Streitigkeiten aus diesem Rechtsverhältnis der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist (vgl ua BSG vom 21.7.2014 - B 14 SF 1/14 R = SozR 4-1500 § 51 Nr 12 und vom 1.4.2009 - B 14 SF 1/08 R = SozR 4-1500 § 51 Nr 6). Jedenfalls dann, wenn das Hausverbot von einem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Rahmen oder aus Anlass eines zwischen den Beteiligten geführten Verwaltungsverfahrens ausgesprochen wird, ist ein die Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte begründender Sachzusammenhang zu den Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende iS des § 51 Abs 1 Nr 4a SGG zu bejahen (vgl BSG vom 1.4.2009 - B 14 SF 1/08 R aaO).
Tenor
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist zulässig.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich in der Sache gegen ein vom beklagten Jobcenter verhängtes Hausverbot.
Der Kläger steht bei der Beklagten im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Beklagte verhängte gegen ihn ein Hausverbot, gültig bis 20.01.2020 (Verfügung vom 22.01.2019). Den hiergegen erhobenen Widerspruch verwarf die Beklagte als unzulässig. Der Widerspruch sei nicht statthaft, sondern es sei unmittelbar Klage zum zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben (Widerspruchsbescheid vom 20.01.2020).
Der Kläger hat am 24.01.2020 Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben.
Mit der Klage hat er im Hauptantrag begehrt, (nur) den Widerspruchsbescheid vom 20.01.2020 aufzuheben und die Beklagte zur erneuten Bescheidung seines Widerspruchs zu verurteilen. Hilfsweise hat er beantragt, den Bescheid vom 22.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und festzustellen, dass das Hausverbot rechtswidrig gewesen sei.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 14.05.2020). Die Klage sei als kombinierte Anfechtung- und Verpflichtungsklage zulässig; Klagegegenstand seien die isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides sowie die Zurückverweisung an die Beklagte zur erneuten Entscheidung. Die Klage sei aber unbegründet. Die Beklagte habe den Widerspruch gegen das Hausverbot zu Recht mit Hinweis auf das nicht vorgesehene Vorverfahren als unzulässig verworfen. Das Hausverbot stelle keine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz (SGG) dar und ein Widerspruch daher nicht vorgesehen. Der Rechtsweg führe unmittelbar zu den Verwaltungsgerichten.
Der Kläger hat am 20.05.2020 Berufung eingelegt.
Der einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Beschluss vom 21.07.2014, B 14 SF 1/14 R; Beschluss vom 01.04.2009, B 14 SF 1/08 R), sei im Ergebnis zu folgen und der Sozialrechtsweg daher eröffnet. Außerdem habe das Sozialgericht die Beteiligten weder zur Frage der Rechtswegeröffnung angehört noch den Rechtsstreit (nach § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)) verwiesen.
Die Beklagte verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.
II.
Der Senat entscheidet über die Zulässigkeit des Sozialrechtsweges vorab durch Beschluss (§ 17a Abs. 3 S. 1 GVG). Eine solche Vorabentscheidung erscheint dem Senat angezeigt, weil die Frage der Rechtswegeröffnung zwischen den Beteiligten auch im Berufungsverfahren in der Sache zuletzt streitig war.
Der Senat ist an einer Entscheidung nach § 17a Abs. 3 S. 1 GVG auch nicht deshalb gehindert, weil das SG den Sozialrechtsweg in dem angegriffenen Gerichtsbescheid (für den Hauptantrag) bejaht hat. Zwar prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, grundsätzlich nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 5 GVG). Das Rechtsmittelgericht ist an die Rechtswegentscheidung der Vorinstanz gebunden und zwar auch dann, wenn diese den Rechtsweg erst in ihrer Endentscheidung bejaht hat (vgl. BAG Beschluss vom 21.08.1996, 5 AZR 1011/94, amtl. Ls. 2; BGH Urteil vom 12.11.1992, V ZR 230/91, juris Rn. 11). Eine Bindungswirkung tritt jedoch dann nicht ein, wenn die Vorinstanz bei ihrer Rechtswegentscheidung gegen § 17a Abs. 3 S. 2 GVG verstoßen hat (BSG Beschluss vom 03.08.2011, B 11 SF 1/10 R, juris Rn. 14; Beschluss vom 20.10.2010, B 13 R 63/10 B, juris Rn. 26; BGH Urteil vom 23.09.1992, I ZB 3/92, juris Rn. 15; Urteil vom 25....