Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung. Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung. kostenaufwändige Ernährung nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V

 

Orientierungssatz

1. Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung auch durch das Revisionsgericht zu erwarten ist.

2. Die Frage, ob ein Hilfebedürftiger aufgrund einer Erkrankung einer besonderen kostenintensiven Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB 2 bedarf, ist abhängig von dessen individuellen Verhältnissen und begründet deshalb keine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung i.S.v. § 144 Abs 2 Nr 1 SGG.

3. Daraus, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung des BSG nicht zu den ab Oktober 2008 gültigen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge ergangen ist, ergibt sich keine Klärungsbedürftigkeit, da die in einem qualitativ gleichwertigen Verfahren erhobenen neuen, den Fortschritt der Wissenschaften berücksichtigenden Mehrbedarfsempfehlungen an die Stelle eines überholten Sachstandes getreten sind.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 06.07.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 06.07.2010 ist gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unbegründet.

1. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Diese Voraussetzung liegt, bezogen auf einen Bewilligungsabschnitt von fünf oder sechs Monaten, vor.

a. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung auch durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit; vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 144 Rn. 28; § 160 Rn. 6 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG]). Ein Individualinteresse genügt nicht (Leitherer a. a. O., § 144 Rn 28 f. mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Rechtsfrage darf sich nicht unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lassen oder bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden sein.

Die Frage, ob ein Hilfebedürftiger aufgrund einer Erkrankung einer besonderen kostenintensiven Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II bedarf, ist abhängig von dessen individuellen Verhältnissen und begründet deshalb keine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG (vgl. LSG Sachsen - Beschluss vom 15.02.2010 - L 3 AS 780/09 NZB - Rn 29; LSG Berlin-Brandenburg - Beschluss vom 09.12.2009 - L 10 AS 1717/09 NZB - Rn 4). Insoweit ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass zur Bewertung der Erforderlichkeit und des Umfangs eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs auf die "Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. abgestellt werden darf (BSG, Urteile vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06 R - Rn. 26, 28 und - B 14/7b AS 32/06 - Rn. 39), solange keine Besonderheiten des Einzelfalls vorliegen. Unabhängig von der in der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/11b AS 3/07 R; LSG NRW, Urteil vom 22.07.2007 - L 19 AS 41/08; LSG NRW, Beschluss vom 14.01.2010 - L 7 B 480/09 AS; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.02.2009 - L 9 B 339/08 AS; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19.12.2008 - L 8 B 386/08 AS) noch ungeklärten Frage der Rechtsqualität dieser Empfehlungen, etwa als antizipiertes Sachverständigengutachten, enthalten diese Empfehlungen vom 01.10.2008 jedenfalls Erfahrungsätze für die dort typisierten Regelfälle. Weitere Ermittlungen sind im Einzelfall nur dann erforderlich, wenn Besonderheiten, insbesondere von den Mehrbedarfsempfehlungen abweichende Bedarfe geltend gemacht werden. Unerheblich ist, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht zu den ab Oktober 2008 gültigen Empfehlungen ergangen ist. Daraus ergibt sich keine Klärungsbedürftigkeit, da die in einem qualitativ gleichwertigen Verfahren e...

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