Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungsausschluss für Ausländer bei fehlendem materiellen Aufenthaltsrecht
Orientierungssatz
Ausländer, die keine ernsthafte Absicht zur Arbeitsuche erkennen lassen und die sich im Land ohne materielles Aufenthaltsrecht aufhalten, sind von den Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen (Anschluss LSG Essen, Beschluss vom 03. Dezember 2014, L 2 AS 1623/14). Dabei genügt allein die Behauptung, sich zum Zwecke der Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten, nicht zur Begründung einer Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt.
Tenor
Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05.01.2015 werden zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die zulässigen Beschwerden der Antragsteller sind unbegründet.
Das Sozialgericht hat die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Bereits das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nach § 7 Abs. 1 SGB II haben die Antragsteller aber nicht glaubhaft gemacht. Es kann dahin stehen, ob sie hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II sind, weil ein möglicher Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II auch bei bestehender Hilfebedürftigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind nach dieser Vorschrift Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Der diesbezügliche Leistungsausschluss gilt nach der Rechtsprechung des Senats auch für wirtschaftlich inaktive EU-Bürger, die nicht einmal zum Zwecke der Arbeitsuche eingereist sind und sich ohne materielles Aufenthaltsrecht in Deutschland aufhalten (vgl. im Einzelnen Beschluss des Senats vom 03.12.2014 - L 2 AS 1623/14 B ER und vom 04.02.2015 - L 2 AS 2224/14 B ER; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.01.2015 - L 12 AS 2209/14 B ER und L 12 AS 2210/14 B, bei juris). Dies trifft auf die Antragsteller zu 1) und 2) zu. Ein materielles Aufenthaltsrecht ist bei ihnen nicht ersichtlich. Da sich der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch auf die Familienangehörigen erstreckt, sind auch die minderjährigen Kinder der Antragsteller zu 1) und 2) nach dieser Vorschrift von Leistungen ausgeschlossen.
Die 1974 geborene Antragstellerin zu 1) und der 1986 geborene Antragsteller zu 2) sind bulgarische Staatsangehörige und nach eigenen Angaben im März 2013 zusammen mit ihrer am 00.00.2012 geborenen Tochter - der Antragstellerin zu 3) - nach Deutschland eingereist. Eine Berufstätigkeit haben sie seitdem nicht ausgeübt. Die Antragstellerin zu 1) hat zwar von Mai 2013 bis März 2014 ein Gewerbe angemeldet, aus diesem Gewerbe aber nach eigenen Angaben keine Einkünfte erzielt. Der Lebensunterhalt der Familie wurde vielmehr durch Kindergeld, das Sammeln von Pfandflaschen, durch Betteln und durch die Inanspruchnahme caritativer Leistungen (Tafel e.V. usw.) gesichert. Die Antragsteller sind damit weder als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern - Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) noch als Selbständige nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Da sie nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, sind die Antragsteller auch nicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 iVm § 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Ihr Aufenthaltsrecht kann sich damit allenfalls aus dem Zweck der Arbeitsuche ergeben (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a) FreizügG/EU). Danach sind Unionsbürger unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt, die sich zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Nicht einmal diese Voraussetzungen erfüllen die Antragsteller.
Die Antragsteller zu 1) und 2) haben nach eigenen Angaben keinen Beruf erlernt und sich bereits in Bulgarien nur notdürftig mit Betteln über Wasser gehalten. Sie haben zwar im Rahmen des Eilverfahrens geltend gemacht, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten und intensiv um Arbeit bemühen, diese Behauptung aber zu keinem Zeitpunkt glaubhaft gemacht. Unklar ist bereits, in welchem Bereich die Antragsteller, die über keine Deutschkenntnisse verfügen, überhaupt ...