Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Personalbedarf einer stationären Einrichtung zur Betreuung von Menschen mit Behinderung. Voraussetzung der Anerkennung eines Mehrbedarfs

 

Orientierungssatz

1. Die Anerkennung eines Mehrbedarfs an Personalstellen in einem Heim für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit geistiger Behinderung und Mehrfachbehinderungen setzt voraus, dass die vom Träger ermittelte Anzahl der Personalstellen auch mit einem konkreten individuellen sozialhilferechtlichen Bedarf der Heimbewohner korrespondiert.

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine einstweilige Regelung im sozialgerichtlichen Verfahren über die Zuerkennung zusätzlicher Personalstellen für eine stationäre Einrichtung zur Betreuung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit geistiger Behinderung und Mehrfachbehinderungen geboten ist, genügt allein eine mögliche existenzgefährdende wirtschaftliche Belastung in der Zukunft nicht, um einen Anordnungsgrund und damit eine Eilbedürftigkeit zu rechtfertigen.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 2 Sätze 2, 4, § 29 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 920 Abs. 2; SGB XII § 77 Abs. 2 S. 3, § 80 Abs. 1; BGB § 1666 Abs. 1

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert für dieses Verfahren wird endgültig auf 1.000.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, mit ihr eine vorläufige, ergänzende Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß den §§ 75 ff. des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) abzuschließen.

Die Antragstellerin ist Trägerin der Einrichtung Heilpädagogisches Therapie- und Förderzentrum (HPZ) St. M. Es handelt sich hierbei um eine stationäre Einrichtung, in der Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit geistiger Behinderung und Mehrfachbehinderungen untergebracht und betreut werden. Zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner als überörtlicher Sozialhilfeträger besteht eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für die Zeit ab dem 01.09.2013. Ferner bestand im Zeitraum vom 01.09.2013 bis 28.02.2014 zwischen den Beteiligten eine Vergütungsvereinbarung, in der die Vergütung (Grund- und Maßnahmepauschale, Investitionsbetrag) für die einzelnen Leistungstypen (LT) und Bedarfshilfegruppen festgelegt war.

Mit Schreiben vom 14.02.2014 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner u.a. zu Sonderverhandlungen im Kinder- und Jugendbereich auf. Sie begehrte bzw. begehrt von dem Antragsgegner die Anerkennung einer zusätzlichen Personalausstattung im Kinder- und Jugendbereich um insgesamt 51,2 Vollzeitkräfte, die ausweislich der eigenen Berechnung der Antragstellerin zu Mehrkosten in Höhe von jährlich 2.838.175,00 EUR führen würden. Im Einzelnen macht die Antragstellerin zusätzliche Personalaufwendungen für 48,20 Vollkraftstellen in der Betreuung zuzüglich weiterer 3 Vollkraftstellen für weitergehende pädagogische Bedarfe geltend.

Zwischen den Beteiligten kam es im weiteren Verlauf zu Verhandlungen über eine ergänzende Leistungsvereinbarung, die jedoch scheiterten. Daraufhin rief die Antragstellerin die bei der Bezirksregierung Münster eingerichtete Schiedsstelle nach § 80 SGB XII an, um die Verpflichtung des Antragsgegners zum Abschluss einer vorläufigen Zusatzvergütungsvereinbarung für die Kinder und Jugendliche betreffenden LT 5 und 7 mit dem einzelnen aufgeführten Zusatz-Maßnahmepauschalen zu erwirken. Mit Beschluss vom 17.09.2014 wies die Schiedsstelle den Antrag als unzulässig zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass der von der Antragstellerin geltend gemachte Personalmehrbedarf nur Inhalt der Leistungsvereinbarung als notwendiger Vorstufe einer Vergütungsvereinbarung sein könne. Ein Streit über einzelne Gegenstände, die - wie hier - der Leistungsvereinbarung zuzuordnen seien, sei jedoch nicht schiedsstellenfähig. Damit fehle es an der Zuständigkeit der Schiedsstelle. Hiergegen hat die Antragstellerin Klage bei dem erkennenden Senat (Az.: L 9 SO 404/14 KL) erhoben.

Bereits am 26.06.2014 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Detmold einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel einer vorläufigen Verpflichtung des Antragsgegners auf Abschluss einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung mit dem von ihr gewünschten Inhalt begehrt (Az.: S 2 SO 151/14 ER). Mit Beschluss vom 24.07.2014 hat sich das Sozialgericht für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen als erstinstanzliches Gericht der Hauptsache gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - (SGG) verwiesen. Hinsichtlich der Gründe wird auf Bl. 202 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Antragstellerin macht geltend, dass die Erhöhung des Personalschlüssels in der von ihr ermittelten Anzahl an Vollzeitkräften für die LT 5 und 7 im Kinder- und Jugendbereich erforderlich sei, um die bedarfsgerechte Betreuung der ihr anvertrauten Leistungsberechtigten sicherzustellen. D...

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